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¡Carnaval!

Encarnación

geschrieben von Franzi

In Hamburg leben wir sonst ja fernab der fünften Jahreszeit, umso größer war unsere Freude, nun endlich daran teilzuhaben! So machten wir uns heute auf den Weg zu einem absoluten Must Do in Südamerika und einem der ganz großen Highlights in Paraguay. Während wir anfangs noch an die großen Menschenmengen in Rio dachten und uns Sorgen um unsere Wertsachen machten, waren wir schnell komplett beruhigt als uns klar wurde, dass der Karneval hier im Sambodromo stattfindet, nicht auf der Straße und die meisten Menschen ihn wohl vor dem Fernseher verfolgen.

 

Wir freuten uns sehr auf den schönen Abend und auch darauf, tolle Fotos machen zu können, ohne Angst haben zu müssen, die Kamera nicht wieder mit nach Hause nehmen zu können. Timo freute sich, glaube ich, sogar noch mehr auf die Caipis 😉

Die Veranstaltung begann um 21 Uhr, wir hatten aber gehört, dass um die Zeit erst die Tore aufgehen und es sich nicht lohnen würde, so früh da zu sein. Da der Tag lang war, machten wir uns entspannt fertig und trafen gegen 21.30 Uhr im Sambodromo ein. Auf dem Weg verkaufen viele fliegende Händler Snacks, insbesondere gegrilltes Fleisch aller Art, Brillen, Masken, Hüte und Snow-Spray. Wir gingen an dem Essen vorbei und auch an den Brillen, am Rest sowieso. Im Lonely Planet stand, man müsse auf jeden Fall seine Augen vor dem Snow-Spray schützen, dass die mit zunehmender Stunde betrunkene Menge gerne wild umhersprühe. Im Hotel wurde uns allerdings beteuert, dass das nicht nötig sei. Bei der Ticketkontrolle fragten wir die Dame, die unsere Tickets entwertete und sogar eine Schutzbrille über ihrer normalen Brille trug, ob ein Augenschutz wirklich notwendig sei. Sie bejahte dermaßen intensiv, dass wir uns genötigt sahen, mir sofort so ein Ding zu besorgen. Timo fühlte sich hinter seiner normalen Brille gut geschützt.

 

Man hörte die Musik bereits im Eingangsbereich dröhnen und ich wurde langsam nervös bei dem Gedanken, ob wir doch schon etwas verpasst hätten. Dennoch war ich bereit, uns erst einmal mit Caipis einzudecken. Wir kauften uns welche bei einer sehr netten asiatisch aussehenden Brasilianerin, die nur zur Karnevalssaison in Paraguay war. Obwohl Timo seinen stark bestellte und ich meinen lieber mild, knallte er doch recht ordentlich.

 

Auf der Tribüne angekommen mussten wir feststellen, dass der Karnevals-Umzug in der Tat schon in vollem Gang war und diverse knapp bekleidete Damen mit eindrucks- und kunstvollen Kostümen zu mitreißenden Samba-Rhythmen bereits ordentlich ihre Hüften schwangen. Interessanterweise stellten wir aber auch fest, dass wir mit zu den ersten Anwesenden auf den ausgestorbenen Rängen zählten. Es scheint also wirklich normal zu sein, erst zu deutlich späterer Stunde zu erscheinen. Während ich mich etwas ärgerte, dass wir nun doch etwas verpasst hatten, egal ob es üblich war oder nicht, wies Timo mich darauf hin, dass mir immer noch ungefähr 4,5 Stunden blieben, um den Umzug zu bestaunen, das würde ja wohl reichen – Er sollte recht behalten!

 

Die Mischung an Präsentationen war wirklich interessant, manchmal sehr beeindruckend und manchmal etwas merkwürdig. Umwerfend kostümierte Damen wechselten sich ab mit Kindergruppen, tanzenden Paaren, älteren Damen, die hauptsächlich winkten, faszinierenden Formationen, Wagen mit einfachem Partyvolk, die überhaupt nicht kostümiert waren und die den winkenden Zuschauern einfach nur zurückwinkten. Offenbar politisch/gesellschaftskritisch motivierten Wagen, deren Aussage wir allerdings nicht ganz verstanden haben folgten einer ganzen Reihe von Karnevals-Königen und -Königinnen und mischten sich mit kunstvoll geschmückte, aber offensichtlich aussagelose Wagen. Einige Gruppen waren zwar kostümiert, aber eher auf merkwürdige Weise (manche waren als Clowns verkleidet, andere als Jigsaw oder Kinder und eine Gruppe sogar als Bierflaschen) Eine Art Cheerleadergruppe trat wiederholt auf, tanzte allerdings eher mittelmäßig und warf bei späteren Präsentationen diverse Werbegeschenke in die Menge. Zu guter Letzt gab es noch drei blau gekleidete Frauen, die ebenfalls immer wieder auftraten, aber nur in dem Umzug mitliefen, sich ansonsten aber gar nicht bewegten. Normalerweise war zumindest ein dezenter Hüftschwung oder ein stetes Winken ungeschriebene Pflicht der Darbietenden. Wir vermuten, dass sie eine Art Werbung darstellten, nur haben wir nicht rausbekommen wofür.

 

Leider fand die Fernsehaufnahme etwas links von uns statt, direkt vor den teuren Tickets, die wir uns nicht leisten wollten. Dort gaben die Tänzer natürlich ihr Bestes für die ganze Nation, worauf wir leider nur den lateralen Blick hatten. Danach waren sie oft ausgepowert, sodass vor unseren Plätzen eher die Trinkpause stattfand und der nächste Auftritt erst wieder rechts von unseren Plätzen. Das war einerseits manchmal schade, andererseits fanden wir diese Kultur sehr lobenswert, da jeder jederzeit etwas trinken gehen konnte, selbst wenn die Formation bereits tanzte, gesellten sich manche Teammitglieder erst später dazu oder brachen vorher ab. Mit den Fronttänzern wurde vor jedem Auftritt Rücksprache gehalten, ob eine Pause benötigt wird oder ob es weitergehen kann. Das ist aus unserer Sicht sehr wichtig, denn der Weg durch den Sambodromo ist lang und bei den heißen Temperaturen, den körperlichen Anstrengungen und den teilweise schweren Kostümen, könnten die Darbietenden ohne Trinkpause schnell zusammenbrechen.

Umso beeindruckender fand ich eine Truppe, die vor fast jeder Tribüne eine spektakuläre, schnelle und kräftezehrende Show vorführte ohne einmal eine Pause zu benötigen. Hut ab vor der krassen Kondition!
Ebenso schön fand ich einen Auftritt, der von „Der König der Löwen“ inspiriert war und gerade begann, als wir das Stadion betraten. Von einem dröhnenden „Nants ingonyama bagithi baba“ begrüßt zu werden, war einfach traumhaft! Dazu gab es ein löwenartiges Tanzpaar umgeben von mit thematisch passenden Schwänzen ausgestatteten Backgroundtänzern.


Übrigens performten die Tänzer ihre Darbietungen immer und immer wieder, den ganzen Sambodromo entlang, wobei ja immer andere Musik gespielt wurde. Diese Flexibilität, synchron zu immer neuen Rhythmen und Liedern tanzen zu können, hat mich sehr fasziniert!

Weniger gefallen hat mir leider, dass manchen Tänzerinnen, insbesondere den besonders prunkvoll kostümierten, die Arroganz ins Gesicht geschrieben stand. Manche führten tänzerisch fast gar nichts vor, eine hielt sogar alle paar Schritte an, um sich bei Mitarbeitern über alles mögliche zu beschweren, insbesondere ihren Kopfschmuck, der ihr wohl nicht gefiel, forderten gleichzeitig aber herablassend Unmengen an Applaus vom Publikum ein.

 

Ich versuchte, mich auf die anderen Darbietungen zu konzentrieren, während Timo sich vor allem auf seine Drinks konzentrierte. Dem Caipi folgte ein Frozen Caipi. Manche der Tänzerinnen strahlten eine unfassbare Lebensfreude aus, die sie mit großem Erfolg auf das Publikum übertrug. Übers ganze Gesicht strahlend präsentierten sie sich und ihre Kostüme, ließen sich gerne und viel fotografieren, posierten auch für Selfies mit den Zuschauern und überzeugten immer wieder mit talentierten und grandios anzusehenden Tänzen. Von einer besonders beeindruckenden Performance wird für uns wohl ein Zitat von mir in prägender Erinnerung bleiben, als ich fasziniert ausrief: „Die kann ihren Hintern schneller bewegen als ich meine Hände!“

Erstaunlich war auch ein kleiner Junge, der wirklich krasse Tanzmoves draufhatte, auf die ich direkt neidisch war! Auch die Männer konnten sich wirklich sehr gut bewegen, interessant war aber, dass in der Regel immer die Frauen im Mittelpunkt standen und die weitaus auffälligeren Kostüme trugen. Selbst in großen Männer-Formationen gab es immer mindestens eine Frau, die besonders präsentiert wurde. Was ich nicht ganz verstehen kann, ist warum die Frauen fast alle Tangas trugen und ihren nackten Hintern vor der Weltöffentlichkeit präsentierten. Auch die Männer waren knapp bekleidet und häufig oben ohne, allerdings gab es keinen einzigen nackten Männerhintern zu sehen. Nur eine Gruppe brach etwas mit diesem Bild. Hier waren bis auf die Schuhe Männer und Frauen komplett gleich bekleidet und sie bestachen durch hervorragenden Tanz, statt durch nackte Haut.

Auffällig war beispielsweise eine Frau, die keine pompöse Kostümierung trug und mein erster Gedanke war, mein Gott, die ist nackt. Tatsächlich war bei ihr genauso viel bzw. wenig bedeckt wie bei den meisten anderen, nämlich ihre Brüste und ihr Intimbereich. Aber durch den fehlenden Federschmuck empfand ich sie instinktiv als absolut unpassend bekleidet.


Die meisten Damen waren auffallend hübsch anzusehen. Ich fragte mich, ob eine gute Figur Aufnahmekriterium in einen Karnevalsverein war. Während des ganzen Abends sahen wir nur sehr wenige Frauen, die etwas mehr auf den Rippen hatte und nur eine, die ich etwas dick nennen würde. Der Schönheitswahn schien mit einigen Teilnehmerinnen auch bereits durchgegangen zu sein. Ein Wagen war wirklich merkwürdig anzusehen, da er fast ausschließlich Damen mit aufgespritzten Körperteilen transportierte. Eine wirkte wie ein Unfall, von der man die Augen gar nicht abwenden konnte, außer in dem kurzen Moment, in dem von den überdimensionalen Brüsten zu dem abstehenden 19.-Jahrundert-Hintern wechselte.

 

Timo war inzwischen bei einem Bier angekommen und die Tribüne hatte sich ordentlich gefüllt. Die Menge tanzte und jubelte zum schnellen Takt der Samba-Musik. Gleichzeitig brach auch ein erbitterter Schnee-Krieg aus. Meistens nahmen sie Rücksicht auf Unbeteiligte und erst recht auf uns offensichtliche Touris. Allerdings ließ es sich nicht vermeiden, dass auch wir ab und zu eine gehörige Ladung abbekamen. Als ich voll im Gesicht erwischt wurde, verstand ich den Sinn der Brille und war sehr froh um sie!


Timo überlegte kurz, uns ebenfalls ein Spray zu besorgen, aber ich war aus diversen Gründen nicht so angetan von der Idee. So holte er sich stattdessen eine Fernet-Cola und ich begann langsam einzudösen. Ein Mann drohte spaßend, mich einzusprühen, wenn ich nicht aufwache und Timo lachte mich aus, wie man nur mitten beim Karneval einschlafen könne. Aber wie gesagt, behielt Timo recht und nach gut 4,5 Stunden um fast 2.30 Uhr am Morgen, verlor der Umzug langsam seinen Zauber und der Gedanke ans Bett wurde verlockender. So schaute ich mir verschlafen noch die restlichen Künstler an, bevor wir uns auf den Weg zu den Imbissbuden machten, um uns mit ein paar Grillspießen zu stärken, bevor wir völlig erschöpft ins Bett fielen. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Benni (Sonntag, 09 Februar 2020 00:10)

    Wie die war zu nackig ? Versteh ich nicht

  • #2

    Felicia (Donnerstag, 27 Februar 2020 08:58)

    Hat das Snowspray einen tieferen Sinn?

  • #3

    Timo (Donnerstag, 27 Februar 2020 12:29)

    Nein der Sinn ist rein oberflächlich und beschränkt sich darauf andere Leute mit einer Chemie zu besprühen, die einer natürlichen Substanz (Schnee) sehr ähnlich ist, die in diesen Breitengeraden selten vorkommt.