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Versöhnung unter Palmen

Concordia

Geschrieben von Timo

 

Nach unserem Schock-Start in Concordia mit unserem Gepäck, das aus dem Kofferraum auf die Straße gefallen ist und dem anschließenden Streit mit dem Taxifahrer, konnte der zweite Tag vor Ort nur besser werden. Und er wurde es auch.  

Der erste Moment des Tages an den ich mich erinnere, war als ich mich um 05:15 im Bett weltzte, auf die Uhr sah und Franzi wachrückelte: "Franzi, der Taxifahrer wartet schon seit einer halben Stunde vor der Tür", sagte ich ohne es selber zu glauben. Sicherlich ist er um 04:50 wieder abgedüst, als wir nicht wie verabredet startklar waren. Franzi sah das anders, zog sich ein Kleid über und sprintete zum Eingang. Und tatsächlich kam sie wieder hochgelaufen und flüsterte mir zu: "Steh schnell auf und mach dich fertig, ich habe dem Taxifahrer gesagt, dass wir in 10 Minuten da sind". Ich war verwundert- hat der Taxifahrer, der gestern noch nicht mal eingestehen wollte etwas für unseren Gepäckunfall zu können tatsächlich über eine halbe Stunde mitten in der Nacht vor unserem Hostel gewartet ohne zu wissen, ob wir noch kommen? In der Tat das hatte er.  

In seinem sehr alten und klapprigen, schwarzen Privatwagen, der in den 1980er Jahren sicherlich mal modern war, fuhren wir zunächst ca. 50 km nach Ubajay wo wir uns in einem Roadhouse über spätere Abholservices aus dem Nationalpark informierten. Mit ein paar Telefonnummern im Gepäck ging es noch 5 km weiter bis zum Eingang des Parque Nacional El Palmar. Dort war um 06:50 noch eine geschlossene Schranke vor dem Eingang auf die 12 km Schotterstraße. Sie sollte auch erst um 07:00 aufmachen. Hier sagte unser Taxifahrer nun erstmals, dass er in den Park nicht reinfahren werde. Ich vermute, da er nicht noch den Eintritt für den Park für sich und sein Auto von ein paar Euro zahlen wollte. Er hatte ja schließlich auch schon einige Maut- und Benzinkosten für uns in Kauf genommen. Das war dann der Moment, an dem ich das mit Franzi besprochene Entgegenkommen aussprach. Ich gab ihm 500 Pesos (ca. 8€), was uns immernoch günstiger kam, als mit einem Shuttle Service von Ubajay zum Park zu fahren, sogar obwohl wir unseren Bus am Morgen für 5€ für beide von Concordia haben sausen lassen. 8€ für 75 km Strecke inkl. 10 km Schotterstraße durch den Park am Ende sind immer noch ein super Deal für uns, zumal er ja noch alles wieder ohne Passagiere zurückfahren musste. Bei ihm schien etwas verzögert zur echten Sonne nun auch ein Strahlen einzukehren. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet noch einen Peso von uns zu sehen und 500 sind vermutlich sogar mehr als seine Kosten für Benzin und Maut. In diesem Moment kam auch noch ein Park Ranger vorbei, der ihm bestätigte, dass der Park gleich öffnet. Bis dahin erzählte er uns noch was über die Probleme von Argentinien und dass alle Leute, die es können, sich nach Uruguay, Paraguay oder Brasilien absetzen, da dort nicht alles teurer wird. Auch seine Miete ist neulich erst um über 100% gestiegen. Beim Eintritt stellte sich auch heraus, dass er schon über 60 Jahre alt ist, wodurch er kostenlos in den Park durfte. In der Tat konnte man sich vorstellen, dass er wohl bis zum Lebensende Taxi fahren musste, um klar zu kommen. Sicherlich ist sein Leben nicht so leicht und selbstbestimmt wie unseres derzeit ist. Nach der Fahrt auf der Schotterstraße durch sehr viele Palmen, an deren Ende ein Campingplatz war und auf der zu Franzis Begeisterung das erste Capybara des Tages den Weg kreuzte, verabschiedeten wir uns von unserem Fahrer. Für Franzi gab es den üblichen Kuss auf die Wange, mir schüttelte er die Hand. Wir haben aus einer beschissenen Situation für alle noch eine Situation geschaffen, in der der Respekt voreinander vorhanden und am Ende alle glücklich waren. Versöhnung unter Palmen. 

 

Die innere Zufriedenheit über die Versöhnung reichte nicht für eine Wärme aus, die uns davon abgehalten hätte unsere (Bade)Handtücher am Piknik-Tisch um uns zu wickeln. Es war arschkalt, während die Sonne vor unseren Augen hinter Uruguay und dem gleichnamigen Fluss höher und höher stieg. Während zwei Greifvögel über uns kreisten, aßen wir Apfel, Bananen und lecker Bananenbrot, das der Hostelleiter extra sehr früh und rechzeitig für uns bereit gestellt hatte. Gestärkt verließen wir erst nach ca. 2 Stunden den Tisch wieder, um einen ersten Spazierweg entlang des riesigen Río Uruguay zu gehen. Wir waren nicht weit gekommen als eine ein Meter lange Echse aus dem Gebüsch angelaufen kam. Während Franzi geschickt mit unserer Kamera Serienaufnahmen machte, um ein Bild des Gesichtes mit ausgestreckter Zunge zu machen, stellte sich ein Familienvater ungeschickter an. Er ging mit seinem Smartphone so nah an die Echse ran, dass sie provziert war und in einem Satz auf ihn zu sprang. "Tranquillo, Tranquillo", rief er aus, aber er war auf jeden Fall nicht so ruhig in dem Moment und ging dann weiter.  

Nach einiger Zeit erreichten wir dann einen nahezu leeren Strand mit wenig Schatten, an dem wir uns unter einem der Bäume niederließen. Ich schlief sofort ein und wachte erst über eine Stunde später wieder auf. Auch Franzi machte länger die Augen zu. Der frühe Start in den Tag sowie der Transfertag davor hatte ihre Spuren hinterlassen. Franzi war darüber hinaus ja auch noch recht erkältet.  

 

Nach dem Schönheitsschlaf trauten wir uns dann auch nochmal ins angeblich piranhafreie Binnengewässer an dem Strand der inzwischen voller Familien war. Inzwischen habe ich bei riesigen Flüssen auch keine Bedenken mehr, nur stehende Flussarme oder Seen werde ich zum Baden meiden in Südamerika. Dafür gab es ein anderes Problem mit dem Wasser: Es war super kalt. Nach kurzer Zeit verließen wir es wieder und machten uns fertig zum weitergehen. Wir gingen in den (Ur)Wald auf einen angeblich 3-stündigen Wanderweg von 3 Kilometern. Eine dieser Angaben musste falsch sein, oder es war von sehr viel Besichtigungszeit ausgegangen worden. Franzi genoss den wilden Baumbewuchs sehr, ich fand es nett, aber nicht so faszinierend. Vielleicht habe ich solche Wälder in Neuseeland und Australien schon zu oft gesehen. Wunderschön jedoch waren die sehr, sehr großen hellblau schimmernden Schmetterlinge, die sich zu rasch bewegten, als dass man sie hätte fotografieren können. Außerdem gab es wieder das übliche, sehr laute Grillengezirpe, das nicht von einer Grille stammt, aber ich weiß nicht wie das Tier heißt, sowie eine Bienenwabe mit Bienen, geöffnete, kleine Eier auf dem Boden sowie große Spinnen wie in Iguazù und natürlich Capybaras. Nach ca. 1 Stunde waren wir wieder am Anfang des Tracks. Wir hatten uns auch etwas beeilt, da wir wieder zurück nach Concordia wollten mit dem 19 Uhr Bus ab Ubajay. Wieder beim Campingplatz angekommen, hatte das Restaurant von dem wir ausgingen, dass es auf hat, leider zu. Dafür hatte ein Imbiss auf, bei dem wir jeweils eine Mischung aus Sandwich, Burger und Schnitzel mit Rindfleisch aßen. Wir fragten den Verkäufer, ob er uns noch ein Taxi aus Ubajay zurück nach Ubajay rufen könnte für 6 Uhr. Er meinte daraufhin, dass wir bei ihm mitfahren könnten for free, da er sowieso ins Dorf muss, was uns natürlich sehr begeisterte. Wir malten uns aus, dass wir im Pick- Up oder auf dem Motorrad hinten drauf mitfahren durften, aber die Wahrheit überraschte uns dann doch. Ein Lieferwagen stand auf dem Parkplatz, in dessen Laderaum schon diverse Parkmitarbeiter auf normalen Möbelstücken aus der Hauseinrichtung saßen. Wir taten es ihnen gleich zusammen mit dem Sandwich Vertreiber, der die Tür hinter uns zu machte und hielt, damit sie während der Fahrt nicht aufging. Bei der nächsten "Haltestelle" stiegen noch 2 Leute ein, so dass die Einrichtungsgegenstände alle belegt waren. Wir kamen mit dem Sandwichverkäufer und dem zugestiegenen Joaquín, den ich als Bademeister unseres Strandbesuchs enttarnte, ins Gespräch. Franzis Piranha Frage und ihre Geschichte aus Paraguay versetzte einige Insassen des Lieferwagens in Verwunderung und Staunen. Spannend fand ich wiederrum dass diese Art Menschen im Gepäckbereich zu transportieren in Argentinien auch verboten sei, aber sich so etabliert hat, da der Lieferwagenbesitzer auch im Park arbeitet und in Ubajay wohnt, so dass er alle täglich kostenlos mitnimmt wenn sie denn wollen. Umso netter, dass wir auch 650 ARS (10€) sparen durften, dadurch dass wir mitfahren konnten. Joaquín begleitete uns noch bis nach Concordia und zeigte sich immer sehr hilfsbereit und zuvorkommend. Er schien sehr interessiert uns näher kennen zu lernen und uns weiterzuhelfen, aber wir wollten ja am nächsten Tag schon nach Uruguay so dass sich das für uns nicht ergab. Nummern haben wir dennoch ausgetauscht. Am Ende wollte er Franzi sogar am nächsten Tag noch helfen einen Arzt zu finden, da sie auf dem Rückweg zum Hostel schon sehr fertig war. Aber das mussten wir zum Glück auch nicht annehmen. Spannend ist auch, dass Joaquin zwei von vier Tagen, die er arbeitet, von Concordia 1 Stunde nach Ubajay mit dem Bus fährt und dann nochmal 30 Minuten von Ubajay zum Strand mit dem Transporter. Schon ein krasser Anfahrtsweg zur Arbeit. Die anderen 2 Tage der Woche ist er Bademeister in Concordia am Fluss.  

 

Abends unterhielten wir uns noch kurz mit einer Münchnerin, die gerade ihr Abi hinter sich gebracht hatte und nun Südamerika bereist. Sie wirkte etwas planlos in ihrem Reiseverhalten, spannend war für Franzi nur, dass sie mit praktikawelten in Afrika war, genauso wie Franzi. Am nächsten Morgen ging es wieder früh los nach Salto in Uruguay. Ich hatte das Packen übernommen und mich darauf eingestellt Franzi nur als "Packesel" mitzunehmen. Da es Franzi aber sehr schlecht ging, rief uns der nette Hostelleiter ein Taxi für die von uns mit einem schlechten Omen versehende Taxistrecke Concordia Terminal zum Hostel. Beim vorangehenden, kurzen Frühstück gab es auch wieder lecker Bananenbrot. All diese positiven Dinge gaben wir später auch in unserer booking.com Bewertung des d' Charrua Hostels an neben der in unseren Augen fehlenden Klimaanlage, was aber angekündigt war. Wir bewerteten das hostel als sehr preiswert und mit einer 7 von 10 auf der Qualitätsskala. Später wurden wir leider vom eigentlich so netten Hostelleiter über Whatts App bepöbelt wie wir erst so nett seien können und dann so eine schlechte Bewertung abgeben können. Auf eine freundliche aber erklärende Antwort auf Whatts App reagierte er nicht mehr und auch die booking Bewertung kann man nur löschen und nicht ändern. Sonst hätten wir sicherlich geschrieben, dass man für schlechte Rückmeldung bepöbelt wird im nach hinein. Sicherlich ein Anreiz keine Bewertungen mehr abzugeben, da alle Hostels eine Telefonnummer von einem haben. Bei dieser Geschichte gab es also leider keine Versöhnung mehr. Und auch keine Palmen.  

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Dome (Samstag, 22 Februar 2020 07:19)

    Sehr cooles Foto mit der Zunge! Wie ist denn die Belichtungszeit, da die Zunge ja sehr schnell ist? :O