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Der Wunsch nach einem Zelt

Cabo Polonio / Parque Nacional Santa Teresa

geschrieben von Franzi

Heute haben wir das schöne und zuletzt leider sehr stürmische Cabo Polonio wieder verlassen. Wir frühstückten mit Regensachen ausgestattet zum Erstaunen aller Hostel-Bewohner trotz der widrigen Umstände draußen, um die frische Ozeanluft zu genießen.

Während des Frühstücks ärgerte ich mich etwas über dessen Qualität. Es gab wie am Vortag etwas Haferschleim, garniert mit ein wenig Nüssen und Rosinen, sowie etwas mit Butter bestrichene Brote und ein paar Scheibchen Apfel. Grundsätzlich recht gesund und eine gute Abwechslung für unsere Ernährung. Dazu gab es am Vortag allerdings nur einen winzigen Schluck Kaffee, kaum mehr als einen doppelten Espresso und auf Nachfrage etwas angesäuerte Milch. Heute gab es zumindest eine ordentliche Tasse für jeden, dafür aber gar keine Milch. Da ich mit steigendem Alter aber immer mehr Milch in meinen Kaffee schütte und inzwischen bei knapp 50:50 angekommen bin, bedeutet für mich keine Milch, de facto kein Kaffee. Der wahrscheinlich durch regen Cannabis-Konsum äußerst lässige und entspannte Hostel-Betreiber munterte mich dazu auf, ruhig die Milch anderer Hostel-Bewohner zu konsumieren. Da ich allerdings nicht möchte, dass Andere meine Vorräte verzehren, und hier mit gutem Beispiel voran gehen möchte, machte ich mich stattdessen missmutig auf zum nächstgelegenen Geschäft, um mir selbst Milch zu besorgen. Timo wiederum war missmutig, da er mit seinem Frühstück auf mich warten musste.

 

Nachdem wir unsere Sachen gepackt hatten, beschlossen wir, diesen ganzen Missmut im Atlantik zurückzulassen und sprangen in die kalten Fluten. Da die meisten Menschen sich bei dem schlechten Wetter in die Häuser zurückgezogen hatten, waren wir am Strand nahezu allein. Unser Mut der Kälte zu trotzen wurde nicht nur durch den Spaß in den Wellen, sondern bei unserer Rückkehr auch durch die bewundernden Blicke und Worte der dick eingepackten Hostel-Bewohner belohnt.
Wir genossen das heiße Wasser, das aus dem Hahn leider nur tröpfelte, und wuschen uns sauber, bevor wir gen „Bahnhof“ aufbrachen. Als einzige Verrückte setzten wir uns trotz des Sturms oben auf den Truck, statt wie auf der Hinfahrt im Innenbereich Platz zu nehmen. Doch wir blieben nicht allein. Zu uns gesellte sich eine alte Bekannte: Melissa, eine Wiesbadener Urlauberin, die wir kurz bei der Free Walking Tour in Montevideo kennengelernt hatten. Sie sei seit ein paar Tagen in Cabo Polonio, nun brauche sie aber Bargeld, weswegen sie die ca. einstündige Reise in den nächstgelegenen Ort mit Bankautomat antrat. Am „Terminal“ von Cabo Polonio, wo man vom Truck in den Reisebus umsteigt, gäbe es zwar auch einen Automaten, der würde ihre Karte aber leider nicht annehmen.        

Wir unterhielten und verstanden uns sehr gut mit ihr, sodass wir ihr schnell anboten, für sie Geld abzuheben, sofern unsere Karte angenommen würde, sie könne uns das Geld ja zurück überweisen. Und tatsächlich, am Terminal angekommen stellten wir fest, dass wir problemlos abheben konnten und so überreichten wir der strahlenden Melissa knapp 150€ in uruguayischen Pesos. Sie war sehr dankbar, dass wir ihr so die weite Reise ersparen konnten und versprach, sie würde bei ausreichend Internet sofort die Überweisung veranlassen. (Spoiler-Alarm: Das Geld ist inzwischen wieder gut auf unserem Konto angekommen.) 


Da unser Bus das erste Mal während unserer Reise sehr verspätet kam, wartete sie noch die knappe dreiviertel Stunde mit uns, während der wir unter anderem Reiseerfahrungen austauschten.

Während der Busfahrt fragten wir uns, wie der restliche Tag wohl verlaufen würde. In unserem nächsten Ziel, dem National Park Santa Teresa, gab es nur ein Hostel, das man nicht online buchen konnte. Es gab ein Kontaktformular und eine Telefonnummer. Über beide Wege hatten wir vergeblich versucht, jemanden zu erreichen.


Im Park angekommen wollten wir den einen Kilometer zur Unterkunft laufen. Die Informationen im Lonely Planet waren leider einmal mehr sehr rudimentär. Kaum hatten wir das Gepäck in der Hand, fragte uns ein Herr fortgeschrittenen Alters, ob wir bei seinem Shuttle Service mitfahren wollten. Wir verneinten, da wir einen Kilometer gut zu Fuß laufen könnten. Er reagierte etwas ungehalten und meinte, es seien sieben Kilometer zum Hostel, nicht einer. Als wir erstaunt nachfragten und ihn baten, uns das Hostel auf der Karte zu zeigen, war er vollends empört. Schimpfte uns zu, dass er seit 20 Jahren im Park arbeiten würde und er schließlich wisse, wo sich was befände. Das hatte in der Tat keiner von uns bestritten. Sehr genervt von seiner überzogenen Reaktion auf unsere Frage willigten wir schließlich dennoch ein. Doch bevor wir einsteigen konnten, schimpfte er schon weiter, Gepäck komme in den Kofferraum, nicht auf die Rückbank. Unsere Backpacks hatten wir dort bereits verstaut. Nach dem Unfall neulich, bei dem unser sämtliches Gepäck aus dem Auto gefallen und über die Straße geflogen war, wollten wir den Daypack mit Handys, Kamera und Laptop aber lieber bei uns behalten. Der Herr insistierte. So gaben wir nach und ich hielt von der Rückbank in den Kofferaum greifend den Daypack während der ganzen Fahrt demonstrativ fest. Wirklich lächerlich, da wir nur zu viert auf sechs Sitze verteilt saßen und der Daypack sowohl auf unserem Schoß als auch in unserem Fußraum oder sogar auf einem eigenen Sitz bequem Platz gefunden hätte ohne irgendjemanden zu stören.
Gut war es schließlich dennoch, dass wir von dem Shuttle Service aufgegabelt wurden, da es wirklich einige Kilometer zum Hostel waren.

 

Dort angekommen stellten wir fest, dass die kleinen Hütten, die man für nur wenig mehr Geld als zwei Betten im Dormroom buchen konnte, alle belegt waren. Widerwillig entschieden wir uns also für den Dormroom. Die einzige Alternative wäre ein Zeltplatz gewesen. Die Rezeptionistin schien geschockt, als wir ihr beschieden, dass dies für uns keine Option wäre, da wir kein eigenes Zelt dabei hätten. Wir wiederum waren von dem Hostel gleich mehrfach geschockt. Erst einmal stellten wir fest, dass es keine Bettbezüge gab. Die könne man für 5€ hinzubuchen. Geschickt, dass uns das beim Check In verschwiegen worden war. So kletterte der Preis für die erste Nacht von 11€ auf 16€ pro Person. Von der günstigsten möglichen Unterkunft mauserte sich das wackelige Bett, das wir bekamen, langsam zu einer unserer teuersten Aufenthaltsorte bisher.


Ich bin wirklich kein empfindlicher Mensch, aber als ich meine Schlafstatt sah, war mir klar, wozu ein Hygieneschlafsack dient. (Den wir schließlich doch in Deutschland gelassen haben.) Es gab einen Jungen- und einen Mädchenschlafsaal, was uns grundsätzlich vor Herausforderungen stellt, da wir unser Gepäck nun mal teilen und abgesehen davon auch die Anwesenheit des anderen in der Regel schätzen. In beiden Räumen standen ungefähr ein Dutzend metallene Etagenbetten. Die Matratze war so ranzig, dass sie schon ihr Innerstes offenbarte – eine Schicht bestand aus Styropor, eine aus Schaumstoff, den Rest will ich vielleicht gar nicht wissen. Die Bettdecke, die diesen Namen nicht verdient, hätte man definitiv besser zum Dämmen und Isolieren von Hauswänden einsetzen können. Sie bestand aus einem potthässlichen, graumelierten und kratzigen Filz. Die Zimmerdecke war aus Plastik und stellenweise aufgerissen. Obwohl es keinen zweiten Stock gab, hörte man ein stätiges Getrappel. Ich entschied mich für eins der unteren Betten, in der Hoffnung, dass mich das obere Bett vor herabstürzenden Deckenteilen schützen würde. Instinktiv wünschte ich, wir hätten ein Zelt.

 

Nachdem der erste Schock verwunden war, beschlossen wir, unsere nassen Badeklamotten vom Morgen aufzuhängen und einkaufen zu gehen. Als ich den Rasen hinterm Haus betrat hielt ich inne. Drei Rehe schauten mich mit ihren großen Augen an. Zunächst bewegte ich mich nicht, um sie nicht zu verschrecken. Da sie aber zutraulich schienen, begann ich langsam meine Wäsche aufzuhängen. Bzw. ich versuchte es. Als die Tiere meine Plastiktüte, in der ich meinen Bikini aufbewahrte, wahrnahmen, müssen sie irrtümlich angenommen haben, ich hätte ihnen Futter mitgebracht. Sofort kamen sie angelaufen und umringten mich. Ich konnte es kaum fassen! Absolut wilde und freie Rehe kamen zu mir und schleckten an meinen Handflächen! Doch da kam Timo um die Ecke und zerstörte den Zauber, indem er nichts von meiner Faszination teilen konnte und nur darauf hinwies, er habe Hunger und wolle endlich zum Supermarkt. Ich versuchte, ihn zu ignorieren und brachte ihn auch dazu, ein paar Fotos von mir zu machen, aber so richtig genießen konnte ich es danach leider nicht mehr. Schließlich hängte er genervt die Wäsche auf, während ich ihn filmte, da die Rehe nun ihn umgaben und hofften, aus der Tüte würde doch noch mehr kommen als nasse Badehosen.

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