· 

Casapueblo

Punta Ballena

Geschrieben von Timo

Unser Weg hat uns nach Punta Ballena (Walfischspitze) geführt und nicht ins benachbarte Punta del Este, dem Mallorca von Uruguay, da wir in erster Linie das Casapueblo besichtigen wollten. Es handelt sich hierbei um das Haus und Atelier des Künstlers Carlos Páez Vilaró, der hier seinen Lebensabend verbrachte und dieses Haus der Allgemeinheit öffnen wollte (Casapueblo heißt Haus des Volkes), um ihr die Türen zu seiner Kunst und wahrscheinlich auch zur Schönheit des Lebens zu öffnen. Gekreuzt haben sich unsere Wege schon im Museo de los Andes in Montevideo, seiner Geburtsstadt, wo er in einem Fernsehbeitrag auftritt. Einer seiner Söhne war tatsächlich bei eben jenem Flugzeugabsturz mit an Bord und überlebte. Carlos Vilaró hatte die Aufgabe die Namen der Überlebenden, alsbald sie bekannt waren, 1972 im Radio vorzulesen. Ohne vorher auf die Liste zu schauen, las er die Namen der Überlebenden vor und brach in Jubel aus als er den Namen seines Sohnes vorlas. 

 

Nun wollten wir also den Ort seines Schaffens besuchen. Oder besser gesagt einen der Orte wie sich später herausstellte. Nach einem schönen Spaziergang am Strand entlang erreichten wir nach einer halben Stunde die Klippe, die den Strand beendete. Das Wasser hat hier eine natürliche Höhle hineingefräst, die allerdings vor allem durch ihren Gestank nach Urin bestach. Nebenan hatten einige Kletterer mit Geschirr ihren Spaß am Hang und auch die Badegäste genossen einen natürlichen Pool im Gestein, den der Río de la Plata geschaffen hatte. Wir hielten uns nicht so lange auf, sondern überquerten das Kliff, um auf der anderen Seite der Klippe die ersten Anzeichen von Casapueblo zu entdecken. Ein ganz weißes Haus mit wilden Formen am Kliff. Mich erinnerte es im ersten Moment an La Pedrera von Gaudí in Barcelona in weiß. Auch eine Assoziation mit Oia auf Santorini folgte später. Die anderen Anzeichen vom Casapueblo waren allerdings die Menschen- und Automassen, die sich ihren Weg zum Eingang bahnten. Nach einigem Überlegen entschieden wir uns dafür die 1,5 Stunden bis zum Sonnenuntergang im Haus zu nutzen und nicht im überteuerten Restaurant zu speisen. Eine gute Entscheidung. Wir sahen in der Zeit aber bei weitem nicht alles vom Casapueblo, da es riesig ist. Über 15 Stockwerke am Kliff herab und auch ziehmlich breit. Zunächst sahen wir ein Video über den Künstler, das den Eindruck vermittelte, dass er in den 91 Lebensjahren nie still hielt und immer aktiv war. Nach seiner Lehre in Buenos Aires kam er zurück nach Montevideo, wo er sich sehr für die afro-uruguayische Kultur interessierte und auch bis zuletzt noch an den Candombe Karnevalsveranstaltungen teilnahm. Früher bemalte er Trommeln und vieles mehr. Dieser Afrika Drang verleitete ihn auch dazu selber nach Afrika zu gehen, wo er viel Zeit verbrachte, u.a. mit Albert Schweitzer im Gabun, und auch anfing Filme zu drehen, die später in Cannes bei den Filmfestspielen präsentiert wurden. 3 Jahre lang war er auch in New York tätig ehe er im Alter wieder zurück kam nach Punta Ballena. Diesen Ort hatte er sich eines Tages ausgeschaut, da dort keine Elektrizität und auch sonst nicht viel war, aber ein wunderbarer Blick über den Río de la Plata und die Küste Uruguays inkl. Traumperspektive für den Sonnenuntergang. So baute er zunächst nur einen Holzschuppen, aber im weiteren Verlauf seines Lebens eben jenes riesiges Zementhaus in weiß, dass keine gerade Linie haben sollte. Ausgestellt sind dort drinnen heute viele von seinen unzähligen Bildern, aber auch ein Hotel, ein Restaurant, ein Café sowie sein altes Atelier. Auch erzählte er im Film gerne von den vielen berühmten Freunden, die er hatte. So durfte er Picasso in Cannes besuchen und auch Andy Warhol war nur einer von vielen Bekannten, die er hatte. Nach dem Video muss ich sagen, dass ich wirklich ein sehr positives Bild von dem Künstler hatte und sehr beeindruckt war von seinem Leben. Er ist sehr viel gereist und konnte sich seiner Kunst, seinem Hausbau, seiner Regie und seiner Liebe zu Frauen, von denen er einige hatte, der Sonne sowie Afrika widmen. Klingt sehr beneidenswert. Zum Sonnenuntergang ging es dann schon sehr belebt her auf den Terrassen seines Hauses, aber wir fanden ohne zu viel Ellbogeneinsatz einen hübschen Ort für uns. Gut zehn Minuten bevor die Sonne irgendwo hinter dem Ort verschwand an dem etwa Buenos Aires liegen dürfte, ertönte auf der Terasse plötzich die mit viel Wein geölte Stimme von Carlos Páez Vilaró und begann zu erzählen. Wir verstanden nicht viel, aber es ging um die Sonne und dass ein Tag vorbeigeht aber sie morgen wiederkommt. Es war sehr romantisch, was auch die anderen Gäste durch viele verliebte Blicke, Küsschen und Instagram Posts würdigten. Als die Sonne noch nicht ganz verschwunden war, erlosch die Stimme des Künstlers und nach einigen Fotos veschwanden die Besucher nach und nach.

 

Wir machten uns auch auf einen gut einstündigen Spaziergang zurück zu unserem Hostel einen unbeleuchteten Sandhügel hinab, durch eine kleine Siedlung hindurch, an der Autobahn entlang und durch einen Wald bis wir schließlich beim Hostel waren. Franzi genoss den Sternenhimmel, ich schaute nervös, dass uns keine Hunde, wilden Tiere oder Menschen überfielen oder die Dunkelheit uns verschluckte, schaffte es aber ruhig zu bleiben. Ich arbeite derzeit daran positiver zu sein und aus dem starken ein natürliches Sicherheitsgefühl und -bedürfniss zu entwickeln. Ich bin gespannt, ob es etwas bringen wird.

 

Im Dulcinea Hostel angekommen, bestellten wir uns bei Nicolas eine Pizza. Er und seine Frau Maria haben das Hostel 2017 eröffnet und wir sind nur zufällig drauf gestoßen. Es ist sehr toll hier. Wir übernachten auf einer riesigen Luftmatratze im Zelt im Garten mit Kissen und Bezügen und viel Platz für unser Gepäck. Es ist kurioserweise auch das erste Doppelbett für uns seit langem. Das Schlafzimmer, das uns zu teuer war, ist aus Lehmziegeln und damit gedämmt wie eine Höhle. Das heiße Wasser und der Strom wird aus Solarenergie erzeugt und die Pizza ist echt super lecker. Wir können dieses Hostel nur wärmstens empfehlen und haben erstmal von zwei auf drei Nächte verlängert.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0