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Streit und Komödie

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Gestartet war der Tag mit einer großen Party. Die Schüler, die anscheinend gerade ihr Abitur absolviert hatten, feierten wie beim Abi-Streich auf der Plaza Lavalle in Schuluniform mit Leuchtfakeln, Snowspray und bunten Fahnen. Diesmal kein politischer Protest, von dem es in BA auch viel gibt. Wir informierten uns daraufhin wie geplant im Teatro Colón nach den Führungen, um dann zu Fuß bis zur Plaza Dorrego zu laufen, auf der ein Restaurant den Platz eingenommen hatte auf dem wir zwei Tage zuvor noch tanzten. Hierhin waren wir gelaufen, da das Museo de Arte Contemporáneo de Buenos Aires (MACBA) leider dienstags geschlossen hat. Im Reiseführer stand "Tuesday free"- war wohl anders gemeint, als dass der Eintritt Dienstag frei ist. Auch die klassische Bar Plaza Dorrego war geschlossen, weswegen wir in den Mercado San Telmo gingen, eine große Markthalle in der Form einer Metallkonstruktion, in der wir einen kalten Kaffee und einen Licuado (Fruchtshake) genossen. Während eines kleinen Bummels durch die Halle entdeckten wir einen Stand, der Negroni anbietet- einen Wermut, Gin, Campari Cocktail, den ich sehr gerne mag. Aus einer großen Flasche wurde uns eingeschenkt und wir genossen das Ambiente der Halle ein weiteres Mal. Wir liefen wieder zurück in Richtung Innenstadt, um auch den Tagesplan zu besprechen und stoppten im Manzana de las Luces, einem historischen Gebäude, in dem vor langem das erste Naturkundemuseum Argentiniens behaust war und später eine Universität Platz fand. Inzwischen ist es eine Art Museum, durch das es Führungen über seine eigene Vergangenheit gibt. Da gerade keine Führung stattfand, setzten wir uns in den Hinterhof und besprachen den Plan für die nächsten Tage. Tags zuvor hatten wir uns im Einzelzimmer eingesperrt und nur kurz Empanadas gegessen, um möglichst fokussiert den Buenos Aires Plan für die nächsten Tage zu besprechen. Mit den vielen geschlossenen Orten stellte sich aber heraus, dass das gar nicht sehr zielführend war. Für die Zukunft merke ich mir, dass es sinnvoller ist einfach mal drauf loszulaufen in der Großstadt und die Dinge zu erkunden, als im Kämmerchen alles detailreich zu planen. Mich erfüllte das Gefühl des verlorenen Tages, den ich selber so vorgeschlagen hatte, mit einer extremen Anspannung. Diese ließ ich raus, als Franzi gerade ihren Vorschlag für die nächsten Tage unterbreitete und ich sie mit meiner Verzweiflung darüber, dass wir nichts sehen und erleben unterbrach. Endgültig gelähmt von meiner ständigen Panikmache beschloss Franzi ab dem Moment für den Rest des Tages völlig willen-, meinungs- und energielos zu sein und mir nur noch hinterherzulaufen. Das wollte ich natürlich auch nicht, aber konnte es auch nicht mehr ändern. So schlichen wir nach Hause und danach kurz über die Straße zum Palacio Barolo, in dem wir eine Führung gebucht hatten. Sie stellte sich als sehr interessant heraus und ich hoffe, dass Franzi zumindest etwas davon mitnehmen konnte.

 

Der Palacio Barolo wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von einem italienisch stämmigen Textilindustriellen mit sehr viel Geld in Auftrag gegeben und sollte das zukünftige Büro seiner Firma werden. Bevor das Gebäude 1923 bezugsfertig war, wurde Herr Barolo zusammen mit seiner Frau allerdings leider bereits aus Erbgier von seinem Schwiegersohn umgebracht, was diesem nachgewiesen werden konnte, so dass das Gebäude schließlich in die Hand der Allgemeinheit fiel und man bis heute Büroräume darin mieten kann. Was ist also besonders an diesem Haus? Es war zur damaligen Zeit das höchste Haus Lateinamerikas, wie der Palacio Salvo in Montevideo hat es einen Leuchtturm auf dem Dach (Der Palacio Salvo wurde dem Palacio Barolo nachempfunden und im Optimalfall sollten sich die beiden Leuchtturmstrahlen, die 300 km Luftlinie voneinander entfernt sind, sogar treffen, was allerdings durch die Erdkrümmung verhindert wurde- alles etwas abgefahren) und es ist der Göttlichen Komödie von Dante gewidmet. Konkret bedeutet dies, dass Figuren im Gebäude dem Werk des Italienischen Dichters nachempfunden sind und es in den unteren Teil (Hölle), den mittleren Teil (Fegefeuer) sowie den oberen Teil (Himmel) unterteilt ist. Das Gebäude spitzt sich auch immer weiter zu je höher man kommt, was der Pyramidenform nachgeeifert ist, die wiederum ein Zeichen der Freimaurer ist. Die sehr schicken Fahrstühle sind britische Telefonzellen. Mit einer davon sowie der sehr netten und persönlichen Führerin fuhren wir "ins Fegefeuer" und hatten von einer Terrasse einen ersten, tollen Blick über die Stadt. Schließlich ging es sogar ganz hoch. Den Rest musste man über eine Wendeltreppe zu Fuß bis in die Spitze des Leuchtturms laufen, in der höchstens 10 Leute Platz hatten. Für uns wurde nun sogar das "Leuchtfeuer" angemacht, das sonst zum Schonen der Augen der umliegenden Bevölkerung ausbleibt. Von hier oben war es schon ein beeindruckender Blick über die Stadt inklusive der untergehenden Sonne hinter dem Kongressgebäude. Spannend im Gebäude waren auch kleine Betonbecken auf dem Boden jedes Stockwerks deren Funktion Franzi mit letzter Energie erfragte. Diese waren für die Männer dieser Zeit um (gezielt) auf den Boden zu spucken, da das Spucken damals üblich war u.a. auch wegen des Kautabaks. Unser Guide meinte noch, dass sie sich darauf freuen würde, wenn endlich mal jemand während der Tour einen Antrag an seinen Partner/ seine Partnerin machte, das aber in 4 Jahren noch nicht vorgekommen sei. Heute war bei uns aber auch nicht der Abend dafür.

 

Nach gut einer Stunde ging es dann wieder zurück ins Atrium von wo aus wir uns zurück ins Hostelzimmer verzogen. Dort schaffte ich Franzi zu ersten Worten seit der Manzana de las Luces zu bewegen und wir hatten tatsächlich das erhoffte, emotionale Krisengespräch über mehrere Stunden. Einmal mehr versprach ich entspannter zu werden und nicht immer gleich alles negativ zu sehen oder auszurasten, wenn ich ungeduldig werde. Abends konnten wir sogar noch im Chan Chan essen gehen, einem Peruanischen Restaurant direkt hinter dem Palacio Barolo um die Ecke. Selbst Franzi hatte wieder Appetit, so dass wir günstig See- und Flussfische sowie weitere Meeresbewohner als Ceviche (mit Zitrussalsa) speisten.

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