· 

Säkularisierungsbruchweltreisetag

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Heute haben wir eine Kirche und das ehemalige Rathaus von Buenos Aires besucht. Insofern haben wir Kirche und Politik heute nicht voneinander getrennt. Ein klarer Fall von Säkularisierungsbruchweltreisetag.

 

Als wir uns endlich von unserem Frühstück im Hostel loseisen konnten, das wir meistens eine Stunde nach dem offiziellen Ende um 10 Uhr morgens starten und dann mit vielen Gesprächen mit den Mitbewohnern, in erster Linie Eric aus Toronto, ergänzen, war es bestimmt bereits 1 Uhr mittags. Bis wir einige Blocks später an der Plaza de Mayo angekommen waren, hatte ich bereits wieder Hunger. So bestellte ich mir einige Empanadas und aß sie auf den Stühlen des Straßenimbisses, in dem ich sie bestellt hatte. Franzi hatte noch keinen Hunger und so verbrachte sie die Zeit damit Fotos von mir zu machen. Dabei sind einige sehr hübsche Exemplare entstanden, die Franzi noch häufig zum Lachen brachten. Nach der Stärkung war ich natürlich müde und so schleppten wir uns zurück zur Plaza de Mayo und ich legte mich auf Franzis Schoß. Franzi las aus dem Reiseführer vor und streichelte mich. Währenddessen lernten wir auch Claudio kennen, der sicherlich sehr spät verstehen wird, was das Coronavirus für Verhaltensänderungen erfordert. Claudio verkauft eine Zeitschrift, die vermutlich ähnlich zur Hinz und Kunzt ist, und spricht auf der Plaza de Mayo Leute an, in dem er ihnen die Hand gibt und sagt er ist Claudio und verkauft diese Zeitung. Leider mussten wir beobachten wir er zunächst in seine Hand rotzte und dann nach einem kurzen Abwischen am T-Shirt dem nächstbesten Passanten die Hand reichte, der sie freundlicherweise annahm und ihm danach freundlich erklärte, dass er kein Interesse an einem Kauf habe. Direkt danach kam Claudio zu uns und wollte den selben Prozess vollführen. Wir lehnten den Handschlag mit Begründung auf Spanisch ab und Claudio verstand was wir wollten, verstand aber nicht warum das so wichtig sein sollte. "No pasa nada" meinte er in Bezug auf das in die Hand rotzen und dann Hände schütteln mit Fremden. Wird schon nichts passieren. Mal schauen, ob Claudio auch lernen wird. Freundlich war er jedenfalls, dennoch kauften wir seine Zeitung nicht.

 

Nach einigem Studieren des Reiseführers und dem raschen Vorbeiziehen des Nachmittags, beschlossen wir schließlich als erstes ins Cabildo zu gehen, das ehemalige Gefängnis von Buenos Aires und vormals Rathaus der Stadt. Die Ausstellung im Cabildo, rein auf Spanisch mit einer Historie Argentiniens, sprach uns leider nicht so an. Besser gefiel uns der Blick vom Balkon auf die Plaza de Mayo. Danach schlenderten wir noch über einen kleinen Markt im Cabildo, in dem uns ein Verkäufer ansprach, der Bilder auf Holzvierecken verkaufte, die, glaube ich, in das Holz hineingebrannt wurden. Der ältere Herr erinnerte von seinem Auftreten etwas an einen Barkassenkapitän im Hamburger Hafen und so sprachen wir auch schnell über Schifferklaviere. Wir hatten uns schon bei der Milonga gewundert wie das Schifferklavier Teil vom Tango Argentino geworden war und der Verkäufer klärte uns auf, dass Deutsche Seeleute das Akkordeon nach Südamerika gebracht hätten. Nach einem netten Gespräch verabschiedeten wir uns wieder und verließen das Cabildo in Richtung Casa Rosada- dem Präsidentenpalast. Leider wurde uns dort gesagt, dass das dazugehörige Museum seit dem Regierungswechsel geschlossen war. So gingen wir zur dritten Station an der Plaza de Mayo- vorbei an der Nationalbank- zur Kathedrale von Buenos Aires. Diese sieht auf den ersten Blick gar nicht aus wie eine Kirche sondern eher wie ein Tempel. Allerdings kann man bei genauem Hinsehen eine Kuppel auf dem Dach erkennen mit einem Kreuz auf der Spitze. Beim Betreten der Kathedrale wird man auch relativ schnell mit dem ehemaligen Erzbischoff von Buenos Aires vertraut gemacht. Jorge Mario Bergoglio hört heute aber wohl nur noch auf den Namen Papa Franziskus und wohnt jetzt sowieso in Rom. Aber nicht nur dieser Fakt ist beeindruckend, sondern auch das innere der Kathedrale ist sehr geräumig und beeindruckend. Während viele Touristen durch die Kirche schlendern, sitzen auch viele Katholiken auf den Bänken und warten auf ihren Aufruf zur Beichte in einer der vielen Kabinen in den Gängen des Gotteshauses. Schon spannend diese Mischung aus praktiziertem Christentum und Tourismus. Während des Ablaufens von Jesus Leidensweg in der Kirche stößt man unweigerlich auf einen weiteres Anzeichen mangelnder Säkularisierung Argentiniens- in einem Nebenraum des Hauptschiffes ist ein Freiheitskämpfer der Republik bestattet und wird sogar von zwei traditionell gekleideten und bewaffneten Soldaten bewacht. Der Raum, der ihm und einer Schlacht an der er wohl teilnahm gewidmet ist, ist schick gestaltet, besonders die Sonne, die auch Argentiniens Flagge prägt, ist auch plastisch an der Decke zu finden. Neben dieser Besonderheit lassen sich auch noch einige andere Highlights entdecken darunter eine Ampulle mit grünem Öl  (Das Öl der Kranken), eine Figur, die auf einer Bank schläft und die Apostel in der Form von Tieren auf die Wand gemalt. Als wir schon wieder aus der Kirche raus waren und etwas zu Essen suchen wollten, begann aber erst das eigentliche Highlight des Kirchenbesuches. Gegenüber auf der Plaza de Mayo standen einige Soldaten an der Ampel, die das selbe Outfit anhatten wie die Soldaten, die in der Kirche das Grab des Unabhängigkeitskämpfers bewachten. Wir zählten eins und eins zusammen und machten uns startklar ihnen in die Kirche zu folgen. Das selbe taten auch einige andere Schaulustige. Sehr diszipliniert schritten die Uniformierten mit einem Ansager in der letzten Reihe in Richtung ihrer Kollegen, die nun wohl Feierabend hatten. In einer überraschenden Bewegung machten diese ihre Waffen startklar, als es Abmarsch hieß. Entgegen unserer Erwartung holten die anderen Soldaten die zwei bisherigen übrigens nur ab und ließen das Grab unbeaufsichtigt zurück. Wir folgten ihnen zurück auf die Plaza de Mayo in der Hoffnung, dass sie uns zu einem guten Restaurant führen für ein Feierabendbier. Es stellte sich allerdings heraus, dass sie diszipliniert zur Casa Rosada schritten, woraufhin wir beschlossen uns eine Parrilla zu suchen. In der Avenida de Mayo wurden wir schnell fündig. An dieser schicken Adresse gab es tatsächlich auch einen imbissähnlichen Laden, der ein Asado für gerade mal 300 Pesos mit Guarnicion (Beilagen) auf der Karte hatte. Wir schlugen zu und genossen das Fleisch während die Passanten an uns vorbeistriffen oder uns nach Kleingeld fragten.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0