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Ein Tag für Großes

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Endlich sind wir mal rechtzeitig in den Tag gestartet, um auch einiges zu erleben. Als erstes ging es morgens mit dem Bus ca. 15 Minuten nach Recoleta, einen wohlhabenden Stadtteil von Buenos Aires. Hierhin zogen die reichen Bürger von San Telmo, als dort eine Gelbfieberepidemie ausbrach im 19. Jahrhundert. Seit dem wird es als kleines Frankreich in Argentinien bezeichnet, da beim Aufbau von Recoleta viel Französischer Einfluss Einhalt fand. 

 

Die Reichen des Stadtteils und auch von ganz Buenos Aires wollten nicht nur zu Lebzeiten mit Hochachtung betrachtet werden, sondern auch nach ihrem Tod ihre Macht weiter ausstrahlen. Das mündete in der Gründung des Cementerio la Recoleta (Friedhof La Recoleta) im Jahre 1881, der nun eine kleine, ummauerte Stadt voller Mausoleen ist, in denen die Mächtigen und Reichen begraben wurden. Hintergrund für die Mausoleen, die natürlich noch viel imposanter wirken als Gräber, ist die Tatsache, dass Gräber eigentlich nach einigen Jahren in Argentinien geräumt werden müssen. Ein Mausoleum muss natürlich nicht geräumt werden und so können die Verstorbenen auf unbestimmte Zeit in den Mausoleen verweilen. Als Dome und Charly davon sprachen einen Friedhof für das Testen ihrer neuen Kamera zu nutzen, fand ich es noch relativ verstörend und wir lehnten einen Besuch, auch aus Zeitgründen, zunächst ab. Doch als wir durch das große Eingangsportal gingen und die unzähligen anderen Menschen und vereinzelten Tourguides sahen, wurde uns einiges klar. Dies ist natürlich ein Friedhof, aber es ist auch eine Touristenattraktion. Und laut lonely planet sogar DIE Touristenattraktion von Buenos Aires.

Wir entschieden uns für einen Besuch ohne Guide und schlenderten durch die Straßen der Totenstadt. In den Seitengassen ist auch nicht so viel los, so dass die angemessene Stille auch tatsächlich herrschte. Von der Nebengasse gehen oft kleine Abzweige ab, in denen dann auf beiden Seiten jeweils sieben oder acht Gräber Wand an Wand aneinandergereiht stehen. Spannend ist das auf den meisten garnicht geschrieben steht wann die Lebzeiten der Insassen waren, sondern meistens nur der Name oder Familienname des Toten und eine Jahresspanne von meistens nur einem Jahr, die wir als Bauzeit des Mausoleums vermuten. Manche Mausoleen sind sehr hübsch gemacht und auch gepflegt, selten sogar mit frischen Blumen. Viele sind jedoch voller Spinnenweben und einige sehen sogar richtig geschändet aus. In einem Mausoleum können auch mehrere Tote einer Familie begraben sein. Bei den schlimmsten Gräbern waren bereits die Holzbretter mit den Särgen, die übereinander angerichtet waren, abgebrochen und die Särge teilweise abgestürzt. Abgesehen davon lag unfassbar viel Staub herum und Spinnen hatten ihre Unterkünfte durch das Mausoleum gewoben. Dann haben sich wohl auch einige Touristen gedacht, dass man dann ja auch seine Schokoriegelpackung in das Grab werfen kann. Und andere, wenn auch zum Glück nur selten, haben sogar Graffitis auf den Mausoleen hinterlassen. Neben den Prachtbauten waren also auch einige traurige Beispiele auf dem Friedhof. Das Problem war uns dabei relativ schnell klar geworden. Vielleicht kann oder will die Familie des vor vielen Jahrzehnten Verstorbenen nicht mehr für die sicherlich teure Pflege auf dem Friedhof aufkommen und auch sonst keine Kosten bezüglich des Familienmausoleums auf sich nehmen. Oder vielleicht gibt es auch keine Familie mehr, die mit dem Toten verwandt ist. Dann findet sich sicherlich nur selten jemand, der die laufenden Kosten des Grabes übernimmt. Andererseits kann der Friedhof ja auch schlecht Tote wieder rausschmeißen, da das auch kosten würde und man ja auch erstmal einen neuen Platz für diese organisieren müsste etc.. So kriegen wohl einige Tote keine angemessene Behandlung ihrer Totenstätte mehr auf diesem Friedhof. Nachdem wir zu Beginn durch jedes Gässchen geschlendert waren, stellten wir schnell fest, dass das den zeitlichen Rahmen des Aufenthalts sprengen würde. So beschränkten wir uns auf die wesentlichen Bauten, die von sich selber auf sich aufmerksam machen. Einige Präsidenten, Sportgrößen und Spitzenmilitärs des Landes sind hier in prunkvollen Mausoleen untergebracht, die vielleicht sogar von Steuergeldern aufrecht erhalten werden, dachten wir uns. Wir reden hier von wirklichen Gebäuden mit Treppen, Kuppeln, Türmchen, Deckenfresken und einem Kellerabteil, in dem der Sarg lagert. Wirklich sehr beeindruckend. Nach einigem Schlendern durch die Hitze erreichten wir wieder den Eingangsbereich des Friedhofs, nicht ohne Google Maps mit GPS allerdings. Wenn es nicht gerade ein Friedhof wäre, wäre es auch ein super Ort für Verstecken und Ticken, schoss es mir durch den Kopf. Besser als jeder Grundschulpausenhof. Ich wäre zu dem Zeitpunkt auch schon wieder nach Hause gegangen, aber Franzi wollte noch das Grab von Eva Perón sehen, der ehemaligen First Lady Argentiniens. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur gerüchteweise, dass sie überhaupt tot ist, aber einige Tage später besuchten wir noch das Museo Evita und erfuhren noch deutlich mehr über sie. Während ich im Eingangsportal nach ihrem Namen auf einem Lageplan suchte, versuchte Franzi im Internet herauszufinden, wo sich ihr Grab denn befindet. Ich suchte nach Perón und fand nicht mal einen Namensvetter von ihr, geschweige denn sie selber. Dann suchte ich in der nach Nachnamen alphabetisch sortierten Liste nach Eva und wurde schließlich bei Eva Duarte, ihrem Mädchennamen, fündig. Als ich Franzi davon berichtete, hatte sie bereits eine GPS Koordinate in Google Maps aufgerufen und bedeutete mir den Weg. Normalerweise kommt man nicht dort raus, wo man hin will, wenn Franzi die Koordination übernimmt, aber diesmal gelang es tatsächlich. Wir kamen in einer sehr leeren Gasse mit kleineren Mausoleen an und entdeckten schließlich das Familiengrab der Familie Duarte aus schwarzem Marmor, dass sehr hübsch gestaltet und gepflegt war. Neben "Evita", wie Eva Perón genannt wurde, waren auch viele Verwandte von ihr in den Särgen im kleinen Mausoleum untergebracht. Auch das Museo Evita hatte sich auf einer Plakette auf dem Mausoleum verewigt. Kurz nachdem wir in Ruhe das Grab inspiziert hatten, hörten wir allerdings Stimmen, die lauter und lauter wurden. Plötzlich strömten Massen an jungen Touristen in die engen Gasse, in der Evitas Grab war. Ein ähnliches Aufkommen hatten wir von vorneherein an dem Grab der ehemaligen First Lady erwartet. Wir flüchteten schnell und gingen zurück zum Eingang. 

 

Obwohl wir eigentlich gar keine Zeit hatten, schlenderten wir noch kurz über einen Kunsthandwerkermarkt vor dem Friedhof, auf dem Franzi freundlicherweise selten anhielt. Danach gingen wir schnell zum Bus, um zeitnah nach Banfield zu kommen, wo um 18 Uhr das Ligaspiel anstand, das wir später besucht haben (siehe Beitrag El Futból). Direkt an der Bushaltestelle gab es noch einen Empanada Laden, bei dem die Augen mal wieder größer waren als der Magen. Es gab ein Angebot für ein dutzend Empanadas für einen guten Preis. Außerdem deckten wir uns noch mit einem Salat (Franzi) und einem Burrito (ich) ein. Ich kann euch sagen später am Tag hingen uns die Empanadas zum Hals heraus, zumal sie nicht so gut waren. Auch galt dann, als die Empanadas endlich alle fertig produziert waren, plötzlich das Angebot doch nicht mehr, das auf dem Schild des Ladens stand. Zumindest nicht ohne die Mitgliedskarte des Ladens, die wir natürlich nicht hatten. Als wir jedoch meinten wir wollen nur den von uns gewünschten Betrag bezahlen, gab es auch keine Beschwerde. Danach eilten wir nach Banfield mit einem riesigen Sortiment an Empanadas.

 

Nach der Heimreise von Banfield mit einer immernoch halbvollen Box mit Empandas, die sogar beschriftet waren mit den Geschmacksrichtungen und die wir erstaunlicherweise mit ins Stadion nehmen durften, machten wir uns kurz im Hostel frisch. Dann ging es zurück auf die Avenida Corrientes, wo wir für günstiges Geld (ca. 10-15 € pro Person) Musicaltickets für Kinky Boots im Oberrang vorne kauften, das erst um 23 Uhr starten würde. Die letzte Stunde bis zum Beginn vertrieben wir uns mit einem weiteren Cadore Besuch, bei dem wir meiner Meinung nach eine schlechte Wahl trafen. Statt für 400 Pesos (5€) einmal einen halben Kilo zu kaufen mit vier Sorten, schlug Franzi vor, dass wir für jeweils 220 Pesos (3€) einen viertel Kilo kaufen, der jeweils drei Sorten haben kann. So hatten wir zwar sechs Sorten zur Auswahl, allerdings konnte ich die sehr kleinen Mengen im Schoko- bzw. im Fruchtbecher, die Franzi uns zusammengestellt hatte, gar nicht so genießen, da einzelne Geschmacksrichtungen viel zu schnell leer waren. Zusätzlich gab es natürlich noch den finanziellen Aufschlag von 40 Pesos (knapp 50 Cent) für diese Farce an der Eistheke. Ein Vorteil war natürlich, dass die Eisbecher nun auch mit dem Mülleimer auf der Avenida Corrientes kompatibel waren. Franzi hatte sogar einen Waffelbecher, der sogar von ihr persönlich kompostiert wurde. Während wir das Eis auslöffelten, beobachteten wir einige Dragqueens auf der Straße, die mit Megaphonen Spanische Sprüche durch die Straße schickten. 

 

Bei Kinky Boots, nur einige wenige Meter neben Cadore, hatte sich inzwischen eine lange Schlange gebildet. Da es schon kurz vor Beginn war und wir ein Schild gelesen hatten, dass alle pünktlich sein sollen, wurden wir etwas nervös. Als wir jedoch kurz nach Start des Musicals immer noch mit allen anderen auf der Straße warteten, war uns auch klar, dass das Schild eher das Wunschdenken der Betreiber offenbarte. Nachdem wir noch im Theater entspannt auf Klo waren, ging es schließlich circa 20 Minuten zu spät los. Das Theater war aber leider immer noch sehr, sehr leer, was schade ist auch für die Schauspieler. Das Musical hatte ich in Hamburg nicht gesehen und war auch nicht so interessiert gewesen, zumal ich gar nicht wusste, was über Schuhe hinaus im Musical thematisiert werden würde. Umso interessierter war ich aber nun, was mir präsentiert werde würde. Und in der Tat das Musical erfüllte meine Erwartungen vollends. Die Schauspieler waren sehr energiereich, obwohl sie die ganze Show am Nachmittag wohl schon mal präsentiert hatten. Ohne zu viel verraten zu wollen, ging es um eine Dragqueen, wo uns auch klar wurde, dass es sich auf der Straße wohl um Werbung für das Musical gehandelt hatte, die Schuhe für Dragqueens angefertigt haben wollte und einen Schustersohn, der nicht weiß wie er mit dem Erbe seiner Fabrik umgehen soll. Gerade die Hauptrolle der Dragqueen war mit einer sehr energiereichen, lauten Person besetzt, der man auch den Spaß am Spielen angesehen hat. Auch aus großer Entfernung aus dem vorderen Oberrang. Die Sprachbarriere war natürlich auch vorhanden, aber bei einem Musical versteht man natürlich doch mehr als bei Hamlet im Theater, was wir auch überlegt hatten zu besuchen, da im Musical alles auch sehr visuell präsentiert wird. Nach gut zwei Stunden ohne Pause war das Musical vorbei und die wenigen Besucher strömten zurück auf die Avenida Corrientes. Dort schallten auch Gesänge durch die Straßen, allerdings mit Inhalten, die man sonst in Fußballstadien erwarten würde. Die Boca Juniors hatten gerade ihren Meistertitel eingefahren und die Fans strömten auch durch diese Flaniermeile in einiger Entfernung von La Boca, um das Vorbeischieben in der Tabelle am letzten Spieltag am Erzrivale River Plate zu feiern. Diese hatten in Tucumán gepatzt und Carlos Tevéz, der schon 2006 in Deutschland seine Heimat vertreten hatte, erzielte den Siegtreffer für Boca am Abend im heimischen La Bombonera. Sicher wäre es ein gigantisches Ereignis gewesen dieses Spiel im Stadion zu sehen. Allerdings war es auch super für ein Zehntel des Preises ein super Musical zu sehen und danach die Feierlichkeiten des Spiels in der Straße bei einem lecker Cocktail zu genießen.

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