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Endlich mal gute Kunst

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

An einem sonnigen Dienstag stellten wir beim Frühstück im Patio fest, dass Eric und unsere Wege sich heute nicht direkt trennen würden. Er wollte ins Reserva Ecologica Costanera Sur an der Küste des Río de la Plata und wir wollten zur Kunstgalerie von Amalia Lacroze de Fortabat. Als wir mit dem Bus in der Nähe von Puerto Madero ausgestiegen waren und die Wege sich trennen sollten, entschloss sich Eric kurzerhand mit uns mit zu kommen. Nicht der Kunst wegen- das ist nicht so seine Domäne- aber der Gesellschaft wegen. Wir holten uns 3 Tickets im schicken Eingangsbereich der Galerie und der Security Typ empfahl uns unten mit der Ausstellung zu beginnen. Als wir noch etwas tranken bevor wir runtergingen wurde eben jener Sicherheitsmensch etwas nervös und empfahl uns unten auf der Toilette weiter zu trinken. Hinter ihm schien in einem Konferenzsaal gerade eine große Tagung stattzufinden. Wir gingen die Treppen runter, nochmal auf Toilette und starteten die Ausstellung mit einem Porträt von Amalia Lacroze de Fortabat, eine Milliardärin, die ihre Kunstwerke nun in dieser Galerie ausstellt, das von Andy Warhol persönlich erstellt wurde. Daneben stand ein Text auf Spanisch, den Franzi und ich gut verstanden, Eric nutzte die uns zu diesem Zeitpunkt noch ungekannte Technik von Google Übersetzer, dass man auf einen Text die Kamera richten kann und auf dem Display der Text sich automatisch in eine andere Sprache der eigenen Wahl verwandelt sogar im selben Schriftfont des Originaltextes. Das ging allerdings nicht lange gut, da man dafür Internet braucht und im Keller der Galerie, in dem wir uns befanden, kein Netz mehr war. So entdeckten wir die Englischen, laminierten Infozettel, die in abgefahrenem und schwer verständlichem Englisch erklärten, was es mit einzelnen Gemälden auf sich hatte. Am Anfang der Galerie schienen gleich die Highlightbilder ausgestellt zu sein. Ein Gemälde des Turmbaus zu Babel erkannte Franzi, da sie es mal in der Schule analysieren musste. Daneben war ein Gemälde das Romeo und Julia hieß und Venedig zeigte und ein weiteres interessantes und detailreiches Bild, dass ein Dorf im Winter zeigte, dass aber auch Elemente von Christis Geburt beinhaltete. Franzi und ich waren jetzt schon begeistert gerade weil wir mit dem MAMBA, in dem moderne, Argentinische Kunst gezeigt wurde, wenig anfangen konnten. Wir versuchten auch die Texte zu den Gemälden zu lesen, Eric wurde schon etwas ungeduldig. Unsere Begeisterung nahm dann aber auch stufenweise ab. Zunächst gab es noch einige interessante Skulpturen von Auguste Rodin, Ägyptische, antike Figuren, Zeichnungen von Dalí und Blumen von Marc Chagall. Dann kamen wir jedoch wieder in einen Raum mit modernerer Kunst aus Argentinien, wo die Objekte uns entweder garnichts sagen konnten, oder sehr verstörend waren. Eine Figur zeigte Holzmännchen, die einen Schneeman in ein Feuer rollen wollten, um ihn zu töten. Eine andere Figur hieß Meer der Tränen und stellte einen nackten Mann dar voller Bluttropfen. Eine Etage weiter unten gab es eine riesige Halle, die ringsherum an der Wand mit Gemälden bestückt war. Jede Wand entsprach einem Argentinischen Jahrzehnt vom 19. Jahrhundert bis heute. Die frühen Gemälde sprachen uns an, gerade Franzi war von dem Malstil Öl auf Leinwand begeistert und ich musste ihr zustimmen. Was aus der Nähe aussieht wie bunte, sinnlose Farbklekse aus Violett, Rosa, Orange, Grün, Gelb und Gold sieht aus der Ferne aus wie eine hübsche Wiese im Morgengrauen. Es waren viele schöne Motive bei diesen Malereien dabei, die die Schönheit der Estancias oder auch nur der Argentinischen Natur präsentierten. Die Bilder des 20. Jahrhunderts wurden wieder abstrakter und immer mehr unverständlich je näher wir uns der Gegenwart entgegen bewegten. Die Bilder von Xul Solar schienen eine Ausnahme zu sein und Franzi erkannte immer wieder interessante Ideen in den fiktiven Darstellungen des Bildes. In Erinnerung bleiben wird auch eine riesige, plastische Drastellung einer toten Frau auf einem Highway, vor der lauter Erinnerungsstücke abgelegt waren. Sicher bezieht sich diese Szene auf etwas, erkennen konnte der neutrale Beobachter das allerdings nicht. Nachdem wir zunächst noch mit die einzigen in der Galerie waren, war es inzwischen voll geworden und es fanden sogar Führungen statt. Wir flüchteten zurück zum Eingang, um uns nochmal die oberen zwei Stockwerke anzusehen. Als wir selbstbewusst in den ersten Stock schreiten wollten, rief uns unser Security Freund zurück. Man darf nur den Fahrstuhl nehmen. Vermutlich weil im ersten Stock gerade erst eine neue Ausstellung aufgebaut wird. Das oberste Stocklwerk, in das uns der Fahrstuhl nun führte, hatten wir wieder für uns allein. Das lag aber auch daran, dass hier fast nichts war. Nachdem wir eine byzantische Steinmetzarbeit, einige komische Figuren und eine Fußkmatte angesehen hatten, gingen wir wieder zum Ausgang. Die Galerie bietet vieles sehr gutes und einige für den Laien doch recht merkwürde, abstrakte Kunstwerke der modernen Kunst. Insgesamt aber ein spannender Haufen von Kunst aus allen Epochen und vieler Stile.

 

Ich leitete uns durch Puerto Madero zurück auf die Avenida de Mayo , wo wir einen Stop einlegten, da Erics Magen sich gemeldet hatte. Wir aßen schnell Empanadas und Pizzas, um uns danach einer Führung im Congresso anzuschließen. Leider standen die vielen Leute nicht für die Führung vor dem Parlament an, sondern für eine andere Veranstaltung, die die touristische Führung an diesem Nachmittag unmöglich machte. Auch die Tage danach machte der Kongress nicht mehr auf, irgendewann sicherlich wegen des Coronaviruses. Stattdessen blieb mehr Zeit für Erics spannende Geschichte, der erst vor einigen Jahren im Alter von ca. 25 feststellte was es bedeutet sein Leben lang bei den Zeugen Jehovas zu sein und beschloss diese zu verlassen. Seitdem hat er keinen Kontakt mehr zu seiner Schwester, Mutter und zu seiner Ex-Frau. Inzwischen hat er eine neue Freundin, die wir später auch noch kurz kennenlernen sollten. Drauf gekommen waren wir, weil Eric noch nie Harry Potter gelesen hatte. Nachdem wir Eric noch Cadore präsentiert hatten, nicht ohne selber in den Genuss eines Eises gekommen zu sein natürlich, tranken wir noch ein Bier auf der Dachterasse. Leider kam es zu Komplikationen welche Gegenstände wir oben brauchen, daher genoss ich letztendlich alleine den Sonnenuntergang und Franzi lag beleidigt im Bett. Das änderte sich später noch, Ich trank noch ein Bier und Franzi saß mit Stirnlampe auf der Dachterasse vor dem Palacio Barolo und schrieb einen Blogartikel auf dem Laptop. Später ließen wir uns von den anderen noch überzeugen am Filmabend teilzunehmen und sahen den Oscar Sieger dieses Jahres Parasite aus Südkorea im Fernsehzimmer. Ein wirklich sehr guter, spannender Film der zum Nachdenken anregt.

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