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Kulturhopping im Regen

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Wie schon am Montagabend goss es in Buenos Aires. Zum Glück hatten wir noch einige Indoor Ziele auf unserer Agenda und so kam endlich der Tag. an dem wir das Teatro Colón besuchten. Allerdings liefen wir den Kilometer nicht zu Fuß, da wir dann keinen Spaß mehr an der Führung gehabt hätten. Alleine die 10 Meter zum Taxi vom Hostel und die 30 Meter vom Taxi ins Teatro Colón haben schon dafür gesorgt, dass wir ordentlich Wasser auf der Regenjacke und auch schon etwas in unseren Schuhen hatten. Und da das Taxi nur knapp zwei Euro kostete, war es auch für den Rest des Tages unser Fortbewegungsmittel.

 

Angekommen im Teatro Colón gab es eine Enttäuschung. Leider war die Englische Tour bereits ausgebucht und nur eine Spanische Tour in einer Dreiviertelstunde noch verfügbar. Da wir auf Grund des Coronaviruses antizipierten, dass Kulturaktivitäten bald nicht mehr zur Verfügung stehen würden, beschlossen wir trotz der Widrigkeiten für knapp 15€ pro Person das Theater mit der angeblich besten Akustik der Welt in seinem Innersten zu besuchen. Wir trockneten und warteten einige Zeit im Foyer des Kulturhauses, das einen ganzen Stadtblock umfasst. Dann ging es endlich los und wir gingen zunächst in den eigentlichen Eingangsbereich für die guten Plätze ins Theater. In einem sehr großen und schicken Atrium war ein roter Teppich vom Eingang die Treppen hoch zum Theatersaal verlegt. Wir taten ein wenig so, als während wir wirklich zu einem Stück gekommen, was wir gerne gemacht hätten, aber leider war gerade noch die Zeit vor der neuen Saison, allerdings wurden wir als die Letzten vom Sicherheitsmenschen angesprochen uns doch bitte etwas mehr zu beeilen. Oben angekommen gab es einen Gang mit lauter Büsten großartiger Komponisten, deren Werke sicherlich häufig im Opernhaus erklingen. Schließlich wurden wir auch noch in den Theatersaal auf dem Rang eingelassen, obwohl gerade eine Lichtprobe für ein Stück der neuen Saison auf der Bühne durchgeführt wurde, während der der Regisseur mit einigen Statisten auf der Bühne testet wie das Licht auszusehen hat. Dementsprechend war der Rest des Saales düster und wir durften auch nichts sagen und mussten sehr leise sein. Dennoch konnten wir den Theatersaal bestauen, der sehr hoch gezogen ist mit Plätzen auf Balkonen bis unter der Decke, sehr gepolstert an den Wänden im unteren Bereich, was der Akustik zuträglich sein soll und natürlich mit Gold und Gemälden an der Decke verziert. Die Akustik soll wohl an der Decke am besten sein, aber die Sicht ist natürlich an anderen Stellen besser. Sonntags soll es wohl auch in der Off-Season manchmal Konzerte für lau geben, aber wegen des Viruses hatte sich das für uns auch schnell erledigt zumal der Termin nicht gut passte. Auch wenn der Besuch sehr teuer war und wir wegen der Sprachbarriere nicht alles verstanden, so war es dennoch ein Pflichtbesuch, wenn man in Buenos Aires ist. Schade, dass wir das Theater nicht in Aktion erleben konnten.

 

Eingestiegen ins nächste Taxi fuhren wir nach Palermo, um das Museo Nacional de Bellas Artes, also das Museum der schönen Künste, zu besuchen. Wir stürmten aus dem Taxi unter den Vorbau des Museumsgebäudes an den klassischen Säulen vorbei nicht ohne erneut recht nass zu werden. Dann die nächste Enttäuschung. Drinnen waren zwar Menschen leider aber alle uniformiert. Draußen hing ein DIN A4 Zettel dran, dass das Museum wegen höherer Gewalt geschlossen sei. Ich dachte tatsächlich, dass bei dem ganzen Regen irgendwie Wasser ins Gebäude geraten sei, aber mit dem Wissen, dass zwei Tage später alle Museen des Landes geschlossen wurden, gehe ich inzwischen davon aus, dass es eine Maßnahme zum Infektionsschutz war, die die Schließung verursachte.

 

Dennoch wollten wir noch ein Museum versuchen, in der Hoffnung dass noch nicht alle geschlossen sind, zumal das Teatro Colón ja auch noch geöffnet waren. Es fuhren zwar viele Taxen aber leider bogen sie alle einige hundert Meter entfernt über eine große Kreuzung hinweg ab in eine Richtung, in die wir sowieso mussten. So sprinteten wir durch den Regen los über die Kreuzung und unter einen großen Baum. Dort lauerten wir bis das nächste Taxi erschien und wanken es heran. Wie gewöhnlich bestätigte es mit dem Warnblinker und wir stiegen entgegen der Empfehlung des Marco Polo Reiseführers nur Radio Taxen zu nutzen, in dieses andere Taxi ein. Als es uns auffiel waren wir kurz skeptisch, doch auch dieses Taxi brachte uns für wenig Geld an unsere Ziel. In einem Wohngebiet befand sich das Museo Evita, das sich mit dem Leben von Eva Perón, der First Lady Argentiniens Ende der 40er Jahre, befassen sollte. Es hatte tatsächlich geöffnet und wir nutzten als zwei der letzten Besucher die finalen 1,5 Stunden der Öffnungszeit, um uns umzuschauen. Um Eva Perón ist ein bis heute anhaltender Personenkult ausgebrochen, da die Armen mit ihr sympathisierten, da Eva selber aus ärmeren, dörflicheren Verhältnissen entstammte und auch Frauen waren begeistert von ihr, da sie als Frau Einfluss auf das Land nahm und auch kurz nach ihrer Zeit als First Lady das Frauenwahlrecht in Argentinien eingeführt wurde. Gleichzeitig war sie aber auch sehr "ladyhaft", kam als Schauspielerin nach Buenos Aires und traf ihren zukünftigen Gatten bei einem Charity Event. Ihre Beziehung war wohl sehr romantisch und ehrlich, was auch zur Begeisterung des Volkes beitrug. Nicht so begeistert waren die mächtigen Militärs des Landes, denen nun eine Frau präsentiert wurde, die mitentscheiden durfte. Spätestens als Juan Perón als Präsident seine Gattin als Vizepräsidentin berufen wollte, war für jene eine Grenze überschritten. Evita, die Verniedlichung von Eva, wie sie von allen genannt wurde, zog ihre Kandidatur daraufhin selber zurück. Allgemein musste sie kürzer treten, da sie krank wurde. Nicht thematisiert im Museum wird ihr Tod, womit wir gerechnet haben und umso überraschter waren als die Ausstellung ohne eine Thematisierung ihres Todes vorbei war. Vermutlich dient das Museum auch zur Glorifizierung ihrer Erscheinung zu Lebzeiten und befasst sich nicht so gerne mit ihrem Tod durch Gebärmutterhalskrebs mit gerade einmal 33 Jahren, sondern lieber mit ihren Klamotten, mit ihrem sozialen Engagement und mit ihrer Gesamterscheinung in Argentinien. Umso nachdenklicher ließ uns das Museum zurück uns es war klar, dass wir noch etwas tiefer in die Materie einsteigen müssten.

 

Erstmal verließen wir pünktlich zur Schließung das Museum und wagten uns bei Nieselregen schlitternd zur nächsten Bushaltestelle, von der wir nach Recoleta fuhren, um das El Sanjuanino zu besuchen, ein Argentinisches Restaurant. Wir bestellten Empanadas, die hier wohl besonders lecker sein sollen, ein Wein und Wasser für Franzi, ein Bier für mich und aus einer rein Spanischen Textkarte etwas das eintopfartig klang für mich und ein asadoähnliches Gericht für Franzi. Schnell zückte ich das Smartphone und las Franzi von Eva Perón auf Wikipedia vor. Später folgten noch die Artikel zu ihrem Gatten und Präseidenten Juan Perón, seiner dritten Ehefrau, einer ehemaligen Tänzerin aus Spanien, die später auch Präsidentin in Argentinien wurde und durch ihre schwache Position nach Juan Peróns Tod in den 70er Jahren die schreckliche Diktatur einleitete, sowie Artikel über eben jene Militärdiktatur und den Peronismus an sich. Verdüstern sollte sich das Bild der Peróns, das natürlich im Museo Evita sehr aufpoliert präsentiert wurde, durch die Begeisterung von Juan über den Deutschen Nationalsozialismus und wie diszipliniert dieser Deutschland im Griff hatte. Zwischen der spannenden Geschichtsstunde über Argentinien gab es für mich in der Tat einen leckeren Eintopf und für Franzi ein Stück Fleisch von einem sehr netten Kellner serviert. So hatten wir doch noch das beste aus dem verregneten Tag gemacht mit ersten Einschränkungen im Land.

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