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The Eye of the Tiger

Buenos Aires

Geschrieben von Timo

Mitten in der bereits sehr präsenten Corona Krise in Argentinien fuhren wir mit dem Linienbus 60 vom Kongress, der vor unserer Haustür liegt, bis nach Tigre, einen Vorort in der Metropolregion Buenos Aires, den viele porteños (Menschen aus Buenos Aires/ Hafenmenschen) gerne als Wochenendziel besuchen. Im Reiseführer wurde vorgeschlagen, dass man mit dem Zug ab Retiro fahren soll, aber wir hatten den Bus Nummer 60 tags zuvor entdeckt und wollten entspannt die Strecke in einem Rutsch abfahren. Die Preise der Busse mit der SUBE Karte, mit der man im Bus bezahlt, erwiesen sich einmal mehr als unproportional. 23 Pesos pro Person (ca. 30 Cent) zahlten wir für die ca. 23 km lange Strecke. Für eine Kurzstrecke zahlt man meistens 18 Pesos. So sehr wir uns die erste Stunde über die Fahrt durch Recoleta, Palermo und Olivos freuten, so sehr sehnten wir während der zweiten Stunde im Bus die Ankunft in Tigre und v.a. bei der nächsten Toilette herbei. Da unsere SUBE Karte gerade noch ausreichend für eine Rückfahrt aufgeladen war, wollten wir auch nicht das Risiko eingehen und unterwegs zum Pinkeln aussteigen. Dennoch konnte ich die Fahrt durch die Außenbezirke von Buenos Aires wie Beccár und San Fernando etwas genießen, die zwar immernoch durchgehend bebaut sind, aber mit weniger Hochhäusern und etwas grüner als der Kern der Metropole. Mich erinnerte die Strecke des 60ers an die des 36ers in Hamburg, der von der Innenstadt die Elbchaussee nach Blankenese entlang fährt. Eine Strecke die ich als Kind beinahe täglich mit meiner Oma absolviert habe. Jedenfalls kommt es mir so vor.

 

Nach einem ersten Boxenstopp informierten wir uns in Tigre nach Booten. Einige touristische Touren waren abgesagt wegen des Corona Virusses und so gab es nur noch touristische Touren von privaten Anbietern auf sehr großen Booten mit Guide auf Englisch oder eine Fahrt mit der Fähre, die Einheimische auf die Inseln im angrenzenden Delta des Río Paraná bringt und die selbe Strecke hin und zurück fährt. Da ich unbedingt in einer der kleinen Holzfähren fahren wollte, die auch in Franzis Reiseführer abgebildet waren, entschieden wir uns für die Fahrt mit der öffentlichen Fähre, die den Río Carapachay hoch fuhr bis in den Río Paraná de las Palmas, den Hauptstrang des Río Paraná Deltas. Wie sich später herrausstellte waren wir die einzigen Touristen an Bord der Fähre, die einmal bis zum Río Paraná fuhren, sahen wie das Boot wendete und retournierten. Alle anderen stiegen zwischenzeitlich bei den Unterkünften am Flussufer aus, um nach Hause zu kommen oder ihre Verwandten oder Freunde zu besuchen. In Hamburg würde man das Boot als Barkasse bezeichnen. Wir nahmen an der Seite mit dem Rücken zum Wasser Platz und mussten uns schmal machen, da alle Sitzplätze belegt waren. Auf dem Dach lagerten die Gepäckstücke der Reisenden. Wir fuhren ein Stück den Río Tigre hoch dann Steuerbord auf den Río Lujan, an dem das sehr schöne Regatta Haus von La Marina liegt und das noch schönere Kunstmuseum von Tigre, und dann Backbord auf den Río Carapachay, den wir die ca. 25 km bis zu seiner Quelle im Río Paraná de las Palmas hochfuhren. Dann überquerten wir diesen noch und fuhren jeweils kurz in einen Seitenarm des Canal Gobernador de la Serna und einen weiteren, kleinen Fluss. Auf dem gut zweistündigen Hinweg stiegen alle Leute außer uns bei einem der Häuser am Fluss aus. Das lief immer wie folgt ab. Der Kapitän stoppte und legte mit dem Heck an einem Anleger an. Sein Assistent half dann dem Reisenden, der bereits ans Heck gegangen war, mit seinem Gepäck an Land zu kommen. Zumeist ging es so schnell, dass wir garnicht mitbekamen, dass schon jemand ausgestiegen war. Der deutlichste Indikator war dafür Hundegebell, da fast jeder Reisende von einem oder mehreren Hunden lautstark auf dem Steg begrüßt wurde. Unklar bleibt jedoch, woher der Kapitän wusste, wo er denn anzuhalten habe. Anhand der Hausnummern entlang der "Straße" Río Carapachay kann man schließen, dass ca. 1500 Häuser auf den Flussinseln stehen. Woher der Kapitän wusste an welchen ca. 40 davon er anzuhalten hat, blieb uns ein Rätsel. Allerdings wirkten alle Passagiere zufrieden als sie ausstiegen. Auch wurden wir nicht komisch angeguckt, obwohl auf einem Hinweisschild vor Leuten gewarnt wurde, die die letzten 14 Tage u.a. in Deutschland waren. Lediglich die vielen Fotos, die ich unterwegs machte, wurden manchmal etwas irritiert betrachtet. Meistens wurden wir aber bisher auch für Brasilianer gehalten, wenn Argentinier geraten haben.

 

Der Río Carapachay ist wirklich sehr eng bebaut, fast jeder Ufermeter ist Teil eines anderen Grundstückes. Nur manchmal sind ein paar Grünflächen oder Wälder dazwischen. Teilweise sind die Häuser richtig schicke, moderne Gebäude mit riesigen Panorama Fenstern, manchmal sehr gemütlich aussehende Häuser auf Stelzen und manchmal echt brüchige Schuppen. Alle haben jedoch mindestens einen Hund. Es ist aber wirklich eine sehr schöne Flusslandschaft, in der man bestimmt mal einen sehr erholsamen Urlaub voller Abgeschiedenheit und Naturverbundenheit verbringen könnte. Nur die Versorgung gestaltet sich schwierig, da die entweder über ein Einkaufsschiff geschieht, das von Haus zu Haus fährt und das wir später sahen, oder persönlich über die Fähre oder ein eigenes Boot in Tigre geschehen muss. Es gibt einige Flussvögel, die immer an der fahrenden Fähre vorbei flogen, um dann am Bug der Fähre links oder recht im Wasser zu landen und abzutauchen. Vielleicht um im aufgewirbelten Wasser Fische zu fangen? Angekommen auf dem großen Deltastrom des Río Paraná sahen wir einen großen Tanker, der aus dem Inland kam und Richtung Río de la Plata fuhr. Wir kreuzten vor dem Tanker während der Kapitän im Fahren sein Mittagessen zu sich nahm. Kurz danach übernahm sein Assistent bis zum Schluss, so dass jeder zwei Stunden lang den jeweils anderen Job ausführte. Bis zum Ende des Río Carapachay waren alle anderen Passagiere ausgestiegen, so dass wir die einzigen an Bord waren, während das Schiff einige Flussarme nördlich des Río Paraná de las Palmas abklapperte. Wir liefen ein wenig an Bord rum und machten Fotos. Am Ufer gab es einmal sogar eine Schule, die immerhin schon ca. 2 Flussstunden vom nächsten Ort Tigre entfernt lag. Gut dass wir uns noch mit Wasser und ein paar Snacks eingedeckt hatten bevor wir abgelegt waren. Beim Kreuzen des Río Paraná de las Palmas auf dem Rückweg kam bereits das nächste, große Warenschiff den Río Paraná herab. Wieder im Río Carapachay angekommen, hielt das Boot nun bei jeder Gelegenheit bei der eine Person auf den Stegen am Ufer stand. Teilweise waren es die selben Personen, die auf dem Hinweg aus Tigre gekommen waren. Vielleicht hatten sie nur einen kurzen Besuch abgestattet? Auch fuhren manche auch nur ein Stück den Fluss herab, um bei einem anderen Haus wieder auszusteigen. Sehr viele gaben aber 5-Liter Kanister beim Bootsmann ab, teilweise auch ohne mitzufahren. So wird wohl die Versorgung der Häuser und Boote mit Benzin gewährleistet. Nach insgesamt 4 Stunden kamen wir dann wieder in Tigre im Hafen an und machten noch ein paar Fotos von uns vor der Barkasse im strahlenden Sonnenschein. Daraufhin spazierten wir noch etwas an der Flusspromenade, wobei Franzi einen kleinen Trimm-dich Pfad entdeckte, an dem sie sich etwas austobte. Danach ging es weiter bis wir gegenüber vom Regatta Club am Río Lujan das "Klauss" entdeckten, in dem wir eine leckere Parrilla mit Asado, Chorizo und vielem mehr bei Rotwein genossen. Dabei ging langsam die Sonne unter und das Ufer färbte sich rötlich und violett bis es dunkel war. Wir gingen langsam zurück zur Haltestelle des 60er Busses, bei dem wir hofften, dass die SUBE Karte wirklich bis zu 40 Pesos überzogen werden darf. Glücklicherweise darf sie das. Bevor wir jedoch die anderthalb stündige Rückfahrt antraten, stellten wir noch fest, dass der Trimm -dich Pfad nun in Absperrband eingewickelt war- wegen Corona natürlich. Zuvor war nur der angrenzende Spielplatz abgesperrt. Auch wenn das Virus wohl nicht wirklich über Oberflächen übertragbar ist, so wird hier doch auf Nummer sicher gegangen.

 

Wieder in Buenos Aires angekommen, genossen wir noch ein Eis bei Cadore. Diesmal bestellte ich mir meine eigenen 3 Sorten im 1/4 Kilo Becher, da wir inzwischen Experten sind in dem was uns schmeckt. Italienische Schokolade ist fantastisch, Crema Chai schmeckt ganz lecker zimtig und Limonada ist eine super fruchtige Wassereismischung aus vor allem Zitrone mit Minze und Ingwer. Wir mussten auch garnicht lange anstehen, da der Laden so gut wie leer war. Auch das lässt sich nur mit den Folgen des Coronavirusses und den weniger werdenen Touristen erklären. Auch für uns ist es vielleicht erstmal der letzte Abend mit Cadore und Restaurantbesuchen. Wir erwarten auch täglich, dass eine Ausgangssperre einsetzt. So lange sie nicht einsetzt versuchen wir aber noch unseren Aufenthalt in BA so süß wie möglich zu gestalten.

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