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Der Alltag nach der Qurantäne

Hamburg

Geschrieben von Timo

Sicher fragt ihr euch, was die Weltreisenden jetzt machen ohne auf Weltreise zu sein. Lechzen wir jeden Tag sehnsüchtig an der Balkonbrüstung nach der weiten Ferne? Oder verlassen wir gar nicht mehr das Bett und verstecken uns unter der Decke bis alles vorbei ist? Oder haben wir gar alles aufgegeben und und fangen wieder ein gewöhnliches Leben in Deutschland an? Es folgen ein paar Eindrücke unseres neuen Alltags und der Perspektive in diesem Text. Und auch für unsere Food Blog Fans sind bei den Bildern unten die Highlights der letzten 4 Wochen dabei. Irgendwie war die Lust zu bloggen ohne das Reisen doch begrenzt.

 

Was man definitiv sagen kann, ist dass wir uns einen neuen Alltag eingerichtet haben. Der Aktivitätszeitraum liegt irgendwo zwischen 10 Uhr morgens und 2 Uhr nachts und wird zumeist durch ein leckeres Frühstück und ein noch leckereres Abendessen zum Teil beansprucht. Soweit hat sich nichts zu den zwei Wochen Quarantäne geändert. Zum Frühstück gibt es entweder ein leckeres Joghurt mit Früchten und Müslibestandteilen oder ein Brötchenfrühstück mit Aufschnitten und Rührei. Nachdem wir auf Empfehlung von Freunden, die auch auf der Ecke von Jacobs Wohnung wohnen, zwei lokale Bäcker ausprobiert haben, sind wir nun doch wieder zu Pritsch in der Papenhuder Straße, also unserer eigentlichen Heimat, zurückgekehrt. Hier sind die Brötchen einfach immer super lecker und das Franzbrötchen und das Schoko Croissant sind auch fantastisch. Da Franzi meistens abends länger wach ist und ich morgens früher aufstehe, beginne ich den Tag nach einer Dusche mit dem Abwasch des Geschirrs unseres vorabendlichen Dinners. Danach mache ich Kaffee für mich und für Franzi, den ich ihr auf den Nachttisch stelle. Mit einer einzigartigen Nasenmuskulatur ausgestattet erschnüffelt Franzi im folgenden üblicherweise das Heißgetränk und beginnt so mit dem langsamen Aufwachen und Aufstehen. Während sie zum Milchkaffee im Bett Nachrichten liest, praktiziere ich üblicherweise mein Sprachentraining, dass ich schon in Argentinien angefangen hatte. Nachdem ich Duolingo im Spanischen für mich entdeckt habe und finde, dass das Lernen mit der App sehr viel Spaß bringt, habe ich vor einigen Wochen auch noch einen Schwedisch Kurs angefangen. Eine Sprache, die ich schon zu Vattenfall Zeiten niemals lernen wollte, da nur etwa zehn Millionen Menschen der Weltbevölkerung sie sprechen (v.a. in Schweden und Westfinnland), aber irgendwie reizt sie mich doch sehr. Und seitdem ich angefangen habe, entwickle ich neben meinem neuerlichen Faible für Geschichte insbesondere Völkerwanderungen und Entwicklungen von Nationen in Europa auch das Interesse für die entsprechende, paralelle Entwicklung der Sprachen in Europa und deren Gemeinsamkeiten. Meine Oma brachte mir gleich, als sie davon hörte, dass ich mich damit beschäftige, das Buch "Die Sprachen der Welt" von F.Bodmer, mit dem sich mein Opa wohl vor seinem Tod auch noch intensiv beschäftigt hat, vorbei. Damals gab es allerdings noch kein Internet, dass Quelle für Informationen sein könnte. Faszinierend finde ich jedenfalls, dass obwohl Schwedisch für mich immer eine völlig fremde Sprache war, doch sehr viele Ähnlichkeiten zum Deutschen und auch teilweise zum Englischen zu erkennen sind. Wusstet ihr z.B., dass byxor Hosen heißt? Klingt doch wie die Büchs, die man sich in Norddeutschland anzieht. Und wenn man sie användar, dann benutzt man eben jene. Oder wendet sie an, wie der Schwede offenbar sagt. Mir bringen diese Zusammenhänge jedenfalls gerade sehr viel Spaß und ich verbringe neben dem Spanischen noch viel mehr Zeit mit dem Schwedischen.

 

Aber genug von Sprachen. Ein weiteres Highlight unserer Woche ist ja das Kochen und dafür muss natürlich eingekauft werden. Franzi hatte immer schon eine Begeisterung für Märkte, schon alleine weil alle Produkte frischer zu sein scheinen und auch mit weniger Verpackung und oft in Bio oder Demeter Qualität verkauft werden. Eine krasse Abwechslung zum Penny um die Ecke jedenfalls. So kauften wir in der ersten Woche auf dem Markt riesig ein und schwups die wups waren knapp 200€ weg. Das verursachte bei uns ein Umdenken, da wir nun kochevolutionär auf einem Level angekommen waren, an dem wir sehr leckere Gerichte kochen konnten, die sich nun aber finanziell krass bemerkbar machten. Und wir sind ja schließlich auch beide arbeitslos. So packte ich letzte Woche mal wieder meine Controlling Skills aus und baute eine Excel File, die Buchhaltung, Controlling und Kochinspiration gleichzeitig bieten soll. Vorne trägt man, nachdem man Rezepte rausgesucht hat, ein was man braucht, von wo man es kaufen will (Penny oder Markt) und wieviel davon und für welches Rezept. Dann wird einem auf Grund der vergangen Buchungen (alle Boneinträge, die manuell eingetragen werden) der voraussichtliche Preis für die Menge dieses Produktes von diesem Verkaufsort angezeigt. Man kann im folgenden auch die aktuelle Menge aller Produkte im Bestand eintragen und daraus ergibt sich jeweils eine Einkaufsliste für Penny und den Markt, mit den jeweilig benötigten Mengen abzüglich des derzeitigen Bestandes. Außerdem wird einem der vorraussichtliche Preis des Einkaufes angezeigt. Zielbudget pro Woche für das Essen für uns zwei sind jetzt 140€. Ein weiterer Sheet informiert natürlich darüber wie viel wir von dem Budget noch über haben, so dass wir spontan entscheiden können, ob wir morgens zum Bäcker fahren oder ob es Aufbackbrötchen gibt. Außerdem zeigt die Rezepthistorie eine Übersicht über unsere Gerichte und was man dafür braucht, so dass man das nicht immer neu recherchieren muss. Daraus ergibt sich auch die Berechnung des Preises pro Gericht. Das wiederrum kann dann die Grundlage sein für die wöchentliche Essensplanung, die das Budget natürlich nicht überschreiten darf. Spaß gemacht hat diese Professionalisierung der Essensplanung jedenfalls, dass sie die Kanonen auf die Spatzen sind, kann ich ich aber auch nicht abstreiten. Naja Franzi mag jedenfalls trotzdem die Marktbesuche und weiß nun, dass wir besser nicht nur 400g Rib Eye für 23€ kaufen sollten, sondern auch ein paar einfachere Alternativen. Mal schauen obs gelingt. Schön daran ist auch, dass ich nicht nur Mitläufer bin, sondern nun endlich selber genau weiß was wir wofür brauchen und warum die alte Lauchzwiebel immernoch in der Küche rumliegt. Das Mitkochen alleine hat für diesen Status des Wissens nicht gereicht.

 

Schön war es natürlich auch die Zeit mal wieder zu nutzen, um Freunde und Verwandte zu treffen. So machte ich zuletzt viele Spaziergänge durch Stadtpark, Wandsbeker Gehölz, Hammer Park und Planten und Blomen. Alle haben mir sehr Spaß gebracht und ich habe es sehr genossen wieder an der frischen Luft zu laufen. Auch einen ersten Stadtteilspaziergang habe ich wieder unternommen durch Dulsberg. Mit dem "Barmbekbuch" hat er sehr viel Spaß gebracht und war zugleich informativ. Davon werde ich in nächster Zeit sicher noch einige machen.

 

Viel Zeit ist gerade auch letzte Woche mit Sid Meier's Civilization IV draufgegangen, dem Computerspiel meiner Jugend. Hier kann man im Prinzip eben jene Völkerentwicklung nachspielen, die ich in der realen Welt gerade so spannend finde. Franzi habe ich nach ihrer intensiven "Die Siedler" Phase nun auch damit angesteckt, so dass wir in 12 Tagen 47 Stunden in das Spiel investiert haben und eine blühende, chinesiche Zivilisation aufgebaut haben.

 

Aber wir sind nicht nur Computerjunkies, Franzi hat sich sogar konkret nach einem Job umgesehen. Letzte Woche hatte sie ihr Telefoninterview und wartet nun auf eine Antwort, ob es was wird mit dem Job als Digital Marketung Managerin. 

 

Und eine große Tour haben wir auch noch gemacht. Ich mit dem Stadtrad und Franzi mit ihrem Fahrrad fuhren von Station zu Station, um schließlich in Reinbek anzukommen. Über Burgstraße, Legienstraße und Billstedtcenter ging es schließlich über eine Stunde mit dem Rad durch die Boberger Niederung bei bestem Wetter bis wir in Lohbrügge waren. Dort erreichten wir nach 1:04 vom Billstedtcenter die nächste Station, so dass ich erstmals für ein Stadtrad zahlen musste. Die 2,40€ waren aber verschmerzbar, bitterer war es dass von den 37 Rädern abends wegen eines Technikfehlers keines mehr auf dem Rückweg helfen wollte, so dass wir zu Fuß nach Bergedorf zum Bahnhof laufen mussten, um dann in gerade mal 15 Minuten die weite Strecke des Hinwegs mit der S-Bahn zu absolvieren. Auch von Lohbrügge aus ging es noch 40 Minuten zu Fuß für mich bis nach Reinbek in Schleswig-Holstein, da dort keine Stadtrad Station ist. Dort besuchten wir nach langer Zeit mal wieder Franzis Lieblingstiere- ihre Kaninchen Charlsie und Lady, die sie dort im Oktober abgegeben hatte, da sie im Gepäck leider keinen Platz hatten. Die ersten 10 Minuten genoss ich das Wiedersehen und die süßen Tiere, die darauf folgenden 2 Stunden geduldete ich mich damit Franzis Glückseligkeit nicht zu stören. Da sie meinte, dass sie für immer im Stall sitzen könne, um die Tiere zu sehen, zog ich irgendwann die Reißleine und wir machten uns auf den Rückweg.

 

So sieht also unser Alltag aus, uns geht es gut und ist nicht langweilig, aber wir machen natürlich auch nicht das, was wir eigentlich wollen. Wie die Kapitelüberschrift unseres Blogs andeutet, sehen wir es immer noch als Weltreise Unterbrechung an und nicht als Abbruch und so hoffen wir, dass wir irgendwann wieder starten können. Das Reisen innerhalb von Europa, was für uns derzeit keine Option ist, scheint ja demnächst auch ohne Impfungen wieder möglich zu sein. Vielleicht wird es das ja dann auch bald über die Grenzen Europas hinaus eine Möglichkeit geben. Wir wollen jedenfalls nicht die erstbeste Gelegenheit nutzen, sondern abwarten wie es läuft, da Heiko Maas ja bereits angekündigt hat, dass er uns nicht noch ein zweites Mal zurückholen wird.

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Kommentare: 1
  • #1

    Dome (Montag, 18 Mai 2020 16:31)

    Juhuu, der Blog lebt wieder!

    Nach stündlichen aktualisieren, habe ich nach über zwei Wochen meiner Arbeitslosigkeit einen Treffer und war sehr glücklich wieder etwas von euch zu lesen ;)
    Nein, Spaß bei Seite. Euer Blog scheint bei mir eine Art kribbeln auszulösen, sodass ich heute einfach nach etwa einer Woche mal wieder reinguckte und den Artikel von La Plata gelesen habe. Kurz darauf dachte ich, guckste nochmal und siehe da :D

    Erstmal schöne Bilder von sehr leckerem Essen. Vielleicht hat Franzi auch einen Tipp für uns für die Märkte in Wedel, da wir uns ja auch gerade einleben?

    Dann kann ich persönlich Memrise und Drops für Schwedisch und Spanisch empfehlen. Aber mein Durchhaltevermögen hat nicht für viel gereicht..
    ..und um auch noch etwas zu der professionellen Anwendung von Excel Tabellen auf eher Nebensächlichkeiten beizutragen: Habe uns auch schon eine für unsere Haushaltsführung gebastelt mit Aufnahme aller Bons, Einnahmen, Zuordnung und Kontoerträgen. Weiß noch nicht genau was sie neben GuV und Übersicht alles können soll. Wäre sehr daran interessiert, die beiden Tabellen (mit verwendeten Formeln) nebeneinander zu halten ;)

    Liebe Grüße