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Tag 7 – Salisbury Plain, Fortuna Bay & Stromness Harbour

Südgeorgien

geschrieben von Franzi

Um 5.30 sollte Woodys Wake-Up Call durch unsere Kabine schallen, bevor wir um 6.00 Uhr mit der ersten Gruppe im Zodiak Richtung Salisbury Plain sitzen sollten. Vor Aufregung konnte ich lange nicht einschlafen. Als der Lautsprecher mich aus dem Schlaf riss fühlte ich mich aber ausgeruhter als gedacht. Tatsächlich. Es war bereits 7.30 Uhr. In Salisbury Plain waren die Wetterverhältnisse so schlecht gewesen – ich glaube, es sollen 70 oder sogar 80 Knoten Windgeschwindigkeit gewesen sein (für Landratten wie mich, das entspricht rund 130-150 km/h) – dass wir nicht anlanden konnten und so hatte die Crew beschlossen, uns schlafen zu lassen.

 

Einige waren dennoch wach geworden und konnten die Aussicht genießen, während wir vergeblich einen Ankerplatz suchten. So auch eine Mitreisende, die wir beim Abendessen kennenlernten. Sie teilt die Kabine mit einer anderen Dame, die wohl nachts zwischendurch die Toilette aufsuchen musste. Sie wurde jedenfalls wach, begann in der festen Überzeugung, es sei Zeit zum Aufstehen, zu duschen, sich zu schminken und anzuziehen. Als sie komplett fertig und aufbruchsbereit war, schaute sie das erste Mal auf die Uhr: 3.20.

Als auch wir Langschläfer um 7.30 Uhr also endlich das Bett verließen, liefen wir sofort zum Fenster und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Atemberaubende Landschaften! Um das Schiff herum sprangen, spielten, tobten und jagten Pinguine und Fellrobben! Die Berge waren schneebedeckt und das Wasser tiefblau. Nur die Tatsache, dass man all das auch aus dem Restaurant heraus sehen konnte, lockte uns zum Frühstück. 

Dort folgten mehrere Durchsagen, dass auch in Fortuna Bay die Bedingungen harsch waren und wir abwarten müssten. Fortuna Bay ist wohl bekannt als der Ort, an dem Shackleton und seine beiden Gefährten auf der Suche nach Hilfe anlandeten und von wo aus sie sich zu Fuß aufmachten zur Walfangstation.
Letztendlich konnten wir nach dem Frühstück an Land gehen. 

Allerdings nur zwei Gruppen auf einmal. So ganz verstanden, warum, habe ich ehrlicherweise nicht. Da wir die erste Gruppe waren, die aufgerufen wurde, düsten wir sofort in den Mud Room. Stiefel an, Schwimmweste zu und ab in die Reihe!

Ich war als erste fertig, wollte mich aber nicht an der Dame vorbeidrängeln, die noch mit ihrer Jacke beschäftigt war und so stand ich als zweite in der Schlange. 

Timo hatte ich aus den Augen verloren. Der würde schon nachkommen. Das tat er nicht. Er suchte mich wohl. Als das erste Zodiak beladen wurde, konnte ich ihm noch zuwinken und rufen, dass ich an Land auf ihn warten würde. Ich wollte unbedingt die Erste auf Südgeorgien sein. Blöd nur, dass ich verpeilt hatte, dass diejenigen, die als letzte ins Zodiak stiegen, als erstes an der Küste aussteigen würden. Na gut, dann war ich halt unter den ersten zehn.

Normalerweise mache ich die Fotos. Timo transportiert aber die Kamera. Keine Ahnung, warum. Jedenfalls stand ich ohne Kamera an Land und konnte mich voll und ganz auf das, was ich sah, konzentrieren. Unzählige Fellrobben, weiblich, männlich, frisch geboren. Königspinguine. Im Wasser, an Land, liegend, stehend, schwimmend. Direkt vor mir, trank gerade ein neugeborener Heuler. 

Ein paar Meter weiter konnte ich ein weißes Junges entdecken. Etwa 0,1% werden mit dieser Farbmutation geboren. Sie sind tatsächlich keine Albinos und haben entsprechend keine roten Augen. Die Mutter war nicht weiß, man konnte sie später zusammen sehen. Auch Riesensturmvögel konnte ich entdecken. All das auf grüner Wiese, vor schwarzen Felsen mit weißen Spitzen. 

Ein Paar Nördlicher Sturmvögel beäugt uns kritisch
Ein Paar Nördlicher Sturmvögel beäugt uns kritisch

Als Timo mit dem zweiten Boot ankam, wischte ich mir eine Träne aus den Augen. Ich konnte nicht glauben, wie wunderschön dieser Ort war, von dem ich so lange geträumt hatte, ohne genau zu wissen, warum eigentlich und von dem ich nie geglaubt hätte, ihn je wirklich zu sehen. Jetzt weiß ich endlich, warum mich Südgeorgien so fasziniert und ich bin unendlich dankbar, hier sein zu können.

Gemeinsam machten wir uns mit der zweiten Gruppe auf den Weg durch das Getümmel hindurch zu einer Königspinguinkolonie. Ein Guide begleitete uns, da einige aggressivere Fellrobben unseren Weg kreuzten. Im Briefing hieß es, man solle nicht unbedingt laut rufen, sondern eher klatschen, um die Männchen fernzuhalten. Als das erste größere Exemplar auf uns zulief griffen vor Schreck dann doch die Urinstinkte unsere Guides und er bellte die Robbe harsch an und riss die Arme in die Höhe. Ich kann es ihm nicht verdenken, auch ich sollte am nächsten Tag der einen oder anderen Robbe ein halb entschlossenes, halb erschrockenes „Hey!“ entgegenrufen. 

Auf dem Weg zur Kolonie mussten wir einen kleinen Bach durchqueren. So langsam fühlte sich alles nach einer richtig spannenden Expedition an! Ich blieb immer wieder stehen, um auch die eintausendste neugeborene Fellrobbe zu fotografieren. Timo versuchte mich immer wieder liebevoll weiterzuschieben, damit wir nicht bereits vor dem Erreichen der Königspinguine umkehren mussten.

Ich konnte mich an den niedlichen Tiere gar nicht sattsehen!
Ich konnte mich an den niedlichen Tiere gar nicht sattsehen!

Unterwegs entdeckten wir auch eine uns noch unbekannte Spezies, von der ich aber bereits im 225-Reisen-Buch gelesen hatte, dass sie nur auf Südgeorgien vorkommt. In dem Buch war sie zwar namenlos geblieben, aber unser mitreisender Ornithologe Adrien wusste natürlich, dass es sich um die Pintail Steamer Duck handelt. Auf Deutsch heißt sie laut meiner Google-Recherche Südgeorgien-Spitzschwanzente. Hauptsächlich frisst sie Gras, greift aber auch ab und zu auf Aas zurück. Laut Adrian ist sie gar nicht mehr so niedlich, wenn sie kopfüber in einem toten Heuler steckt.

Und dann waren wir da! Im Hintergrund der tatsächlich deutsch benannte „Königsgletscher“ im Vordergrund unzählbar viele Königspinguine! Das Treiben der niedlichen Tierchen, unter ihnen sehr viele Jungtiere, die man an den dicken flauschigen Daunen erkennen kann, hätte ich ewig beobachten können. Sie riefen nacheinander, stolperten übereinander, brüteten, einfach großartig!

Tatsächlich hat Timo mich nur schwerlich wieder Richtung Strand befördern können, auch mit freundlicher Hilfe der Crew. Am Ende stieg ich als letzte in das Zodiak und blickte noch lange zurück.

Am Nachmittag waren die anderen beiden Gruppen mit Landgängen an der Reihe. Das eilig zusammengeschusterte Alternativprogramm überzeugte uns nicht und so beschäftigten wir uns mit uns selbst und dem bisher Erlebten, sortierten Bilder, schrieben Blogartikel und tranken einen Kaffee auf unserer Veranda. Es gibt wahrlich schlechtere Nachmittage!
Ehrlicherweise wären wir aber schon gerne mit den Zodiaks unterwegs gewesen, das Wetter war jetzt schließlich gut. 

Wir hörten später, dass das überlegt worden sei, aber die Befürchtung bestand, dass sich andere Leute beschweren könnten, dass das nicht fair sei, da die Gruppe, die nun als zweites an Land war, aufgrund der schlechten Wetterbedingungen während unseres Landgangs, nicht Zodiak fahren konnte und ebenfalls mit dem Alternativprogramm an Bord hatte warten müssen.
Ein paar andere Leute und wir haben der Crew das Feedback gegeben, dass wir immer das meiste aus den Tagen rausholen wollen würden, auch wenn’s dann mal weniger zu essen gibt oder eine kleine Ungleichheit herrscht. Sie haben die Rückmeldung ehrlich dankbar angenommen, ich denke aber nicht, dass sie bereits während dieser Reise etwas an ihren Plänen ändern werden.

Leider schafften wir es zeitlich nicht mehr wie geplant in Stromness Harbour ebenfalls Zodiak-Touren zu unternehmen und anzulanden. Stattdessen fuhren wir die Sehenswürdigkeiten direkt mit der World Explorer ab. Wir packten uns warm ein und machten es uns auf der Veranda gemütlich. Ab und an liefen wir für bessere Sicht aus Vorder- oder Hinterdeck.

Wir haben insgesamt drei oder vier alte Walfangstationen gesehen. Die in Stromness Harbour ist, soweit ich es verstanden habe, die, in der Shackleton letztendlich gelandet ist.
Die Walpopulationen haben hier rapide abgenommen. Die Meere wurden quasi leergefischt und die Bestände erholen sich nur sehr langsam, obwohl sie seit langem streng geschützt sind. Wirklich schön und beeindruckend zu sehen ist, dass die Natur sich die wenigen Menschengemachten Dinge, wie ebendiese Walfangstationen, wieder zurückholt. Überall zwischen den verrosteten Anlagen tummelt sich die artenreiche Tierwelt.

Abends beim Recap & Briefing wurden wir erneut gebeten, die lichtdichten Vorhänge zuzuziehen, damit die nachtaktiven Vögel nicht vom künstlichen Licht gestört werden und schlimmstenfalls gegen die Fenster prallen.


Mein absolutes Highlight aus all den vielen Präsentationen zeigte uns an diesem Abend Adrian. Es zeigte ein Eselspinguinküken, das sich Auge in Auge mit einem Greifvogel wiederfindet, der eine potenziell tödliche Gefahr darstellt. Um sich zu wehren, versuchte auch das Küken zu bluffen, so wie wir bei den Fellrobben. Es hielt die Arme weit von sich, wie ein Bodybuilder und schrie den Vogel aus voller Kehle an. Ich muss Adrian unbedingt fragen, ob er mir das Bild zuschicken kann.        
Ich hoffe sehr, der Bluff hat funktioniert.

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