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Auf den Spuren der Deutschen zwischen den Vulkanen

Pucón

geschrieben von Timo

Von Puerto Montt war es nur ein Katzensprung nach Puerto Varas an den Lago Llanguihué, den zweitgrößten See Chiles nach dem Lago General Carrera/ Lago Buenos Aires. Wir quetschten uns zu viert in ein Uber mit 4 Rucksäcken, 4 Backpacks und 4 Passagieren, wie wir es schon einige Male vorher machten und 20 Minten später hatten wir es günstiger ans Ziel geschafft als wenn wir Bus gefahren wären. Das Einsteigen war schon fast professionell- Drei Backpacks in den Kofferraum, drei Passagiere mit drei Rucksäcken auf die Rückbank- Jannes schiebt ein Backpack auf uns drauf und setzt sich mit seinem Rucksack (wenn nur zwei Backpacks in den Kofferraum passen auf mit einem Backpack) auf den Beifahrersitz. Gemurrt hat auch noch kein Uber Fahrer, die zum Glück immer ein ausreichend großes Auto hatten und es ja auch für 4 Leute angeboten wird (Ich weiß allerdings nicht ob mit oder ohne Gepäck).  

Nachdem wir uns ein wenig über die Highlights der Umgebung informiert hatten, konnte ich Franzi überzeugen wieder zurück ins Hostel zu fahren, da es dauerhaft regnete. Franzi wollte sich dennoch die Stadt anschauen, aber ich war davon nicht überzeugt, da ich auch nicht entsprechend gekleidet war. Stattdessen machten wir uns am nächsten Tag bei besserem Wetter zu zweit auf nach Frutillar, einem anderen Ort am See, in einem Bus der für die lokale Bevölkerung genutzt wird, wobei man bei der Bauart denken könnte, dass er eher für Hobbits und deren Beinfreiheit gestaltet wurde. In Frutillar (Bajo)/ Unten, also am See), wo offensichtlich an jedem zweiten Haus "Kuchen" angeboten wird, war das Deutsche Erbe nicht nur im "Deutschen Kolonialmuseum" sichtbar, das wir besuchten. Ich hatte den Lonely Planet Text nur überflogen, da ich das Museum sowieso besuchen wollte und hatte ein staubiges Museum erwartet, erhielt aber einen wunderschön angelegten Garten mit einzelnen handwerklichen Gebäuden, die das Leben der Menschen vor ca. 150 Jahren bei der Besiedlung der Kolonialisten darstellte. Wir streunten durch den am Hügel angelegten Park, in dem auch Chilenische Schülerinnen der Deutschen Schule unterwegs waren und entdeckten unter anderem das Küchenregal mit Deutschen Beschriftungen, das uns sehr an unseren Unverpacktladen Muttels in Hamburg erinnerte und daran, dass man nach der Plastikperiode vielleicht was das angeht sich wieder mehr der Vergangenheit annähert. Am Ende des Tages sahen wir noch das Musikhaus am Ufer des Sees, das angeblich weltberühmt sein soll und sehr im Kontrast zu diesem ruhigen, dörflichen Ort steht, da es wie eine Elbphilharmonie am Ufer des Sees thront. Aufführungen gab es leider gerade nicht.  

 

In Puerto Varas liefen wir am nächsten Tag einmal durch die ganze Stadt, wobei die Deutschen Kolonialhäuser wesentlich uninteressanter waren als die vielen Deutschen Straßennamen. Am interessantesten war allerdings erstmals den Vulkan Osorno am anderen Ende des Sees zu sehen, den Alex und Jannes am Tag zuvor wegen schlechten Wetters nichtmal sehen konnten, obwohl sie direkt davor waren, und das Museum des Künstlers Pablo Fierro zu besuchen. Das Haus erinnert ein wenig an ein Labyrinthhaus auf dem Hamburger Dom bestehend aus allem, was Leute irgendwann mal nicht mehr brauchten und hat in die Außenfassade eingebaut unter anderem ein Schiff und ein Auto sowie innen drin eine Rutsche von einem der fünf Stockwerke in das darunterliegende. Es war sehr unterhaltsam es zu erkunden und besonders überrascht war ich als wir den Künstler selber in dem Haus antrafen, wie er damit beschäftigt war es weiter zu gestalten. Das Haus ist wie man auch in einer Chronologie sehen kann, sehr lebendig und entwickelt sich stetig weiter. Spannend war auch ein Raum in dem hunderte Impfausweise für Covid 19 aus Papier mit personenbezogenen Daten herumlagen. Das war im Rumpf des "Schiffes". Wir fragten Pablo danach, ob er das gestaltet hat und er erzählte uns, dass er lange gar nicht in diesem Raum war und erst von einem Besucherkind des Hauses erfuhr, dass dort so viele Impfzettel rumflögen, die in der Realität längst von QR codes abgelöst worden waren, weswegen die Leute sie nicht mehr brauchten, und daraufhin diese sortierte. Er meinte, dass es für ihn auch immer ein wenig belastend sei und wie eine Vorhaltung wenn er den Raum betritt, da er selber nicht geimpft sei und die Erinnerung an das Thema unangenehm findet. Ich habe auf Grund der jüngeren Vergangenheit immer noch direkt ein mulmiges Gefühl, wenn ich Leuten begegne, die sich nicht gegen Covid 19 geimpft haben, auch wenn Franzi mir nochmal zusprach, dass es nun wirklich jedem selber überlassen sein sollte, da es keinen gesellschaftlichen Einschnitt wegen der Krankheit mehr gibt. Dennoch fand ich den Umgang von Pablo mit der Gestaltung dieses Raumes irgendwie sympathisch und auch bezeichnend für das lebendige des Hauses- nicht nur der Künstler prägt es sondern auch seine Besucher. Abends gab es hinter der "Puerta Roja (Rote Tür)" eine große Paella mit Sangria für beide. Meine Prohibition wurde mal wieder einstweilig für schöne Spanienurlauberinnerungen aufgegeben. 

 

Von Puerto Varas aus besuchten wir den ältesten Nationalpark Chiles, der den Vulkan Osorno umfasst- den Parque Nacional Vicente Perez Rosales. Ein schöner Wasserfall entlang eines reißenden Bergflusses war wesentlich touristischer als wir es uns gedacht hatten. Auf dem Lago Todos los Santos machten wir eine kleine Kaffeefahrt mit Blick auf den Vulkan Osorno neben uns, bewaldete Berge sowie bis zum Ende des Sees an der Grenze nach Argentinien. Etwas schockierend war, dass sich die Fahrt für den Kapitän schon gelohnt hat als wir mit einem anderen Pärchen  auf dem Schiff waren, während schon einige andere, ähnliche Schiffe auf dem See unterwegs waren und es offensichtlich keine festen Abfahrtzeiten gibt. Spannend wieviel Geld er wohl verdient wenn die ca. 40 Leute auf dem Schiff sind, die sicherlich draufpassen würden. Die Laguna Verde, die wir danach noch besuchten und die die gefühlt Hundertste Laguna Verde auf der Reise ist, wird wohl vor allem wegen der positiven Nachrichten, die wir dort erhielten in Erinnerung bleiben. Nach über drei Monaten zahlte uns Postando endlich unser Geld für die doppelt bezahlten Weihnachtspostkarten zurück. Es war ein Kampf per E-Mail unser Geld wieder zu erhalten, den wir dem eigentlich guten Anbieter für selbstgestaltete Postkarten nicht vergessen werden, zumal die Plattform selber dafür verantwortlich war, dass wir ursprünglich doppelt haben, da die Zahlung über PayPal zwar eingezogen wurde, aber die Postkarten daraufhin nicht versendet wurden. Auch unser gesamtes Geld für die Nacht im Camping Francés im Torres del Paine Nationalpark haben wir nach viel schreiben wiederbekommen- immerhin 200 USD für eine Nacht- nachdem wir dort unfreiwillig in eine schlechtere Unterkunft wegen Überbuchung gesteckt wurden. Zurück ins Hostel trampten wir die über 50 km mit einem 32- jährigen Landschaftsgärtner aus Puerto Varas, der mit uns sogar noch das Restaurant suchte, in das wir wollten. Mit 13 Jahren hat er als Mann der dreiköpfigen Familie mit Mutter und Schwester schon auf Kosten der Bildung angefangen zu arbeiten, damit seine Schwester, die mehr Spaß daran hatte, weiter in die Schule gehen konnte. Da war es auch verständlich, dass er kein Englisch sprach, auch wenn wir uns inzwischen gut auf Spanisch verständigen können. Wenn Trampen immer so abläuft ist es auf jeden Fall viel mehr als Geld und Zeit sparen für den Bus, sondern auch eine sehr interessante Erfahrung um mit den Einwohnern ins Gespräch zu kommen. 

 

Nach einer fünfstündigen Busfahrt erreichten wir Pucón, gelegen am sehr aktiven Vulkan Villarica, den wir eigentlich besteigen wollten, was leider nicht ging, weil die gelbe Warnstufe für seine Aktivität gesetzt war in der Zeit in der wir da waren. Ich hatte ein bisschen Angst vor Pucón, da es im Januar und Februar wohl extrem touristisch ist. Diese Phase hatte die Stadt in diesem Jahr aber zum Glück schon hinter sich gelassen. Als wir da waren, war es ziemlich entspannt und die Stadt hat sich in seiner Schönheit als Erholungsort gezeigt. Wir besuchten die Termas los Pozones außerhalb des Ortes, wo es in einem Tal zwischen bewaldeten Hügeln fünf Becken mit unterschiedlich heißem Wasser zwischen großen Steinen gibt, und badeten dort ein wenig. Auch am Strand, der am Lago Villarica liegt und aus schwarzen Sand besteht, ließ es sich bei bis zu 26°C gut aushalten. Das Wasser ist sehr klar. Es soll wohl Algen geben, die schlecht für die Haut sind. Wir hoffen, dass wir die nicht berührt haben. Piranhas gab es auf jeden Fall nicht, so dass Franzi das Baden genießen konnte. Der Blick von der Dachterrasse des Hosels bei Sonnenuntergang auf den Vulkan bei rotem Himmel war auch sehr schön. Noch schöner war der Blick vom Cumbre San Sebastián, den wir in knapp vier Stunden im Parque Nacional Huerquehué bestiegen und von dem aus wir zahlreichen Vulkane und Lagunen sehen konnten. Am beeindruckensten war sicherlich der Argentinische Vulkan Lanín, der wie der Villarica ein perfekter Schichtvulkan ist, mit Eis um die Spitze herum und nochmal ein Kilometer höher als sein Chilenischer Kollege. Auch die Lagunen, die weit unter uns lagen, mit klarem Wasser, so dass man die Steine unter Wasser sehen konnten, waren beeindruckend. Der Blick entschädigte teilweise für eine schreckliche Busfahrt zurück, während der Franzi vor Leid sogar weinte, so dass ihr ein Sitzplatz angeboten wurde. Das Busunternehmen, das einem für den anspruchvollen, steilen Track mit 1,1 km Steigung sowieso nur 7 Stunden lässt, hatte beschlossen nur einen Bus zum Abholen zu schicken, wobei morgens noch zwei Busse die Touristen im Park abgesetzt hatten. Der Minibus ohne Haltegriffe war extrem voll. Franzi und ich mussten sich stehend im Gang an der Gepäckablage und an Sitzen festhalten. Franzi hatte ihre Energie so gehaushaltet, dass sie nach dem Track mit Turbogeschwindigkeit müde im Bus schlafen kann. Die Kopfschmerzen von dem heißten Tag waren auch schon eingetreten. Das alles zusammen machte eine sehr unkomfortable Busfahrt für sie zu einer schrecklichen. Netterweise bot der Franzose aus unserem Hostel, der neben uns im Bus saß ihr seinen Platz nach ca. 40 Minuten an, so dass sie die letzten 15 Minuten etwas weniger leider musste. Ich beschloss meine Wut über das schlechte Management nicht als einziger in einem Versuch mein Geld am Ticketschalter zurückzufordern auszuleben, sondern schrieb einfach eine schlechte Google Bewertung. Vielleicht hilft mir das auch zukünftig über sehr schlechte Erfahrungen besser hinwegzukommen und mich nicht noch viel später darüber aufzuregen. Bei so vielen Unternehmenskontakten wie wir sie auf der Reise haben, gibt es natürlich immer eine Bandbreite an sehr guten bis sehr schlechten Erfahrungen. 

 

Pucón kann man, sofern nicht völlig überfüllt, auf jeden Fall für einen Sommerurlaub empfehlen. Eine Vulkanbesteigung inklusive Klettern auf Eis würde mich auch weiterhin reizen. Vielleicht ergibt sich auf der Reise nochmal ein anderer Ort, an dem das möglich ist.  

 

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