· 

Schatz im Silbersee

Potosí

geschrieben von Timo

Wenn der Silbersee Potosí ist, dann würde ich sagen dass wir nur Teile des Schatzes gefunden haben. Neben dem Schatz gab es auf jeden Fall auch eine Menge Schrott. Aber der Reihe nach. 

 

Potosí selber ist kein Silbersee aber die Stadt am Silberberg oder "Cerro Rico" wie ihn die Spanier nannten. Nachdem bereits die Quechua für sich selber Silber aus dem großen Gipfel über der Stadt Potosí holten, so durften sie das ab 1545 als Sklaven zusammen mit den Afrikanischen Sklaven gleich weitermachen. Nur dann natürlich nicht mehr für sich selber sondern für das Spanische Königreich, das sich durch den Reichtum aus dem reichen Berg fortan finanzierte und Potosí nicht nur zu einer der höchstgelegenden sondern auch einer der größten Städte der Welt werden ließ.  

 

Heute bleiben viele Kolonialgebäude aus der reichen Zeit übrig aber auch viele der Minen im Cerro Rico sind noch aktiv und sogar neuere sind noch hinzugekommen. Die Arbeitsbedingungen sind vielleicht besser als in der Kolonialzeit aber immer noch sehr schlecht. Franzi hat eine der Minen touristisch besucht, was inzwischen ein übliches Angebot von Tourenanbietern in der Stadt ist. Ich habe mich dagegen entschieden, da ich bei Vattenfall viel über Arbeitssicherheit und die Philosophie gelernt habe erst etwas zu machen, wenn es sicher ist und alles was ich von den Minen gehört habe, sind diese alles andere als sicher und die Motive der Besucher die Mine zu besichtigen gehen von ein augenöffnendes Erlebnis haben über die Arbeitszustände bis Sensationsgeilheit und Nervenkitzel. Ich sah mich da nicht und war froh als Franzi heile wieder zurück war. Das Risiko dass ihr etwas passieren würde, war auch eher gering. Schlimmer ist es wenn man jahrelang im Dynamitstaub voller Asbest auf 4400 Metern hart körperlich arbeiten muss, was auch erklärt warum die Lebenserwartung der Minenarbeiter bei gerade mal bis zu 45 Jahren liegt (heute!). Das Geld was man als Arbeiter verdienen kann, erklärt ein Stück weit warum es so viele Menschen machen und warum in der Mine trotz Schulpflicht bis 18 Jahre auch Kinder von 12 Jahren aufwärts auftauchen. Alles weitere zur Mine kann euch Franzi sicherlich nochmal ausführlicher schildern.  

 

Ansonsten bleibt bei mir von Potosí hängen, dass wir zwei Tage wegen Franzis Kopfschmerzen, die vielleicht durch die Höhe (4000m) vielleicht auch durch die trockene, kalte Luft nachts kamen, nur auf dem Zimmer waren. Außerdem dass in der Siesta, in der ich dachte dass alle schlafen wollen nach dem Mittagessen, das Hostel auf der (sehr nahe gelegenden) anderen Straßenseite immer einen Lautsprecher mit lauter Musik aufstellte, was sehr störend war. Unser Hostel Rezeptionist vom Nachmittag war desweiteren der unfähigste Mitarbeiter eines Hostels, den ich jemals erlebt habe. Wenn man ihn angesprochen hatte, sagte er entweder freundlich dass er keine Ahnung habe wann zum Beispiel die Busse zu unserem nächsten Ziel Sucre fahren, nachdem er seine Bluetooth Earphones rausgeholt hatte und das obwohl die Abfahrtszeiten auf dem Tisch seiner Rezeption standen wie wir später herausfanden oder er raunzte einen einfach unfreundlich an, dass es keinen Wäscheservice gäbe, auch wenn ein Schild Gegenteiliges behauptete, während er kurz von seinem Computerspiel aufblickte. Von den vier geführten Touren, die wir in der Stadt machten, war auch keine gut. Manche waren immerhin bemüht, andere waren einfach komische Typen, die unnahbar waren und sich selber widersprachen und wieder andere stotterten den selben zweistündigen Vortrag auf Spanisch herunter wie schon die letzten Jahrhunderte ihrer Existenz komplett ohne individuelle Note oder Interaktion mit den Zuhöhrern. Schön war es etwas in der Sonne auf einem unserer Balkone zu sitzen abgesehen davon, dass die Stromleitung immer etwas im Weg hing und die Abgase der engen Straße sehr intensiv eingeatmet werden mussten. Besonders hervorzuheben hierbei sind die Busse, die ihre Auspuffe hinten, oben angebracht haben und die auf den Steilen Straßen der Stadt nochmal extra viel Abgase ausstoßen mussten. Das in Verbindung mit der dünneren Luft war auf jeden Fall ein echter Genuss. Genauso wenn man sich auf Mini- Bürgersteigen an darauf parkenden Autos vorbei auf die vielbefahrenen Straßen zwängen musste, um bei heftigem Herzschlag ein paar Meter voranzukommen. 

 

Lichtblicke gab es aber auch in Potosí und die hingen vor allem mit den anderen Reisenden zusammen, die wir hier trafen. Valentin ist Straßenkünstler und brachte sein Einrad und seine Keulen mit aus Gualeguaychú in Argentinien nahe Uruguay auf eine dreitägige Busfahrt, die ihn erneut nach Potosí brachte. Kopfschmerzen hatte er natürlich auch dabei bei so einem rasanten Aufstieg auf diese Höhe. Dadurch dass er der einzige war der die selbe Hautfarbe im Bus hatte wie wir, gab es ein natürliches Interesse aneinander und er war auch sehr interessiert Kontakt zu uns aufzunehmen. Als wir kurz vorm abgelegenen Terminal von Potosí waren, überzeugte er uns auch mit auszusteigen und von diesem näher gelegenen Ort in der Stadt ein Taxi zu nehmen. Wr ließen uns überzeugen und quatschten ein bisschen auf der Rückbank über unsere Reisen. Er will sich jetzt erstmal in Bolivien etwas Geld verdienen und dann weiter bis nach Ecuador und dort vielleicht am Strand Cocktails mixen. Die Bolivianos sind natürlich stabil um Dollar zu erhalten und in Potosí hofft er mit seinen Kunststücken auch gut anzukommen während der Rotphasen der Ampeln. Er folgte uns in das Hostel, in dem wir reserviert hatten, nachdem wir ihn auf die Taxifahrt eingeladen hatten (wir helfen gerne freundlichen Argentiniern) und ich fragte während der komische Rezeptionist in seinen Bildschirm aus den 90ern blickte, schonmal bei selbigem für Valentin an, was denn ein Bett im Schlafsaal kosten würde. 80 Bolivianos sollte es kosten wo Valentin raus war. Am nächsten morgen begrüßte uns Valentin beim Frühstück und sagte, dass er für 45 Bolivianos in unserem Hostel geschlafen hätte, nun aber in ein anderes Hostel umziehen würde. Ab dem Zeitpunkt waren wir uns auch nicht mehr so sicher wie aufgebläht unser Zimerpreis eigentlich war zumal er uns sowieso teuer vorkam für die Qualität des Hostels. 

 

Ein paar Tage später als wir gerade im billigen und einfachen Markt ein Mittagessen zu uns nahmen, kam eine Gringo (Weiße) Reisetruppe auf uns zu, in der auch Mira dabei war, die wir vor ein paar Tagen an der Grenze getroffen hatten und die zuletzt in der Salar de Uyuni unterwegs war. Wir unterhielten uns nett und kamen darauf, dass die Gruppe einen einradfahrenden Jongleur in den Straßen getroffen hatten. Wir hatten Valentin nicht wieder getroffen, aber waren uns nun sicher, dass seine Kopfschmerzen ihn wohl nicht gehindert hatten aufzutreten nach der Beschreibung der anderen. In der Gruppe war auch eine Deutsche dabei, die wir schon in Salta getroffen hatten, sowie ein Franzose der uns auch äußerst bekannt vorkam.  

 

Zwei Tage zuvor hatten wir bereits Auriane und Honoré getroffen, mit denen wir einen Monat zuvor in Santiago de Chile bei Victor gewohnt hatten. Nach Stopps in Pucón und Chiloé waren sie durch die Atacama Wüste und den kahlen Südwesten Boliviens innerhalb eines Monats nach Potosí gekommen. Wir aßen zusammen Mittag auf dem Markt und gingen zu unseren Hostels zurück, die genau gegenüber voneinander lagen. Später trafen wir uns erneut zufällig wieder und besuchten zusammen mit dem einzigen netten und zugleich eloquenten und kompetenten Guide der Stadt die Kathedrale samt Glockenturm mit schönem Blick über Potosí. Abends aßen wir erneut zusammen zu Abend bevor es (zu) dick eingepackt ins Stadion von Potosí ging zum Schlager Nacional Potosí- Real Tomayapo. Die 20 Auswärtsfans machten mehr Stimmung als die vielleicht tausend Heimfans, wir wurden an der Ticketkasse verschmerzbar abgezogen (20 Bolivianos bezahlt obwohl 15 auf dem Ticket standen. Immerhin stimmte dadurch mein Tipp und nicht Honorés) und wir sahen ein Spiel auf vielleicht Deutschem Viertliganiveau aber auf extrem hohem Level (4000m ü.n.N.)zwischen dem Tabellenzweiten der Bolivianischen, ersten Liga und einem Mittelfeldteam. Es war schön mal wieder Fußball im Stadion zu sehen. Für Auriane war es das erste Fußballspiel überhaupt. Honoré hatte schonmal ein 0:0 zwischen Lille und Montpellier in der Ligue 1 beobachten dürfen. Nacional traf zweimal nach Ecken, wonach jedesmal dreimal kurze, leise "Nacional" Sprechchöre durchs Stadion hallten, und kassierte dann den Anschluss ebenfalls nach einer Ecke. Der Torwart aus dem Dorf Tomayapo wollte es aber wohl nicht zu spannend machen und schlug den Ball nur kurz nach dem Anschlusstor nur 15 Meter weit auf einen Gegner ab, der ihn daraufhin entspannt im hohen Bogen ins Tor spielte. Prost- so hieß der Argentinische Torschütze von Nacional. Ich verinnerlichte noch einiges, Französisches Fußballvokabular ehe es wieder raus aus der Arena ging, wo mehr Polizisten auf uns warteten als es Zuschauer gab. Im Stadion wurden sie auch gebraucht, als sich nämlich zur Halbzeit die Gäste relativ aufdringlich beim Schiedsrichter beschwerten, so dass sie sogar mit Schildern dazwischengingen. Einen ernstzunehmenden Grund für die Beschwerde außer Frust über den Rückstand konnte ich übrigens nicht erkennen.  

 

Auriane, Honoré, Mira und einige weitere Reisende brachen vor uns schon weiter auf nach Sucre. Die Hauptstadt soll sehr schön sein und gut zum Entspannen. Das können wir nach Potosí auch gebrauchen. Es war spannend die kolonialen Kirchen und Bauten zu begutachten sowie zu sehen wie aus dem Silber des Berges eine flüssige Silbermasse wurde und nach der Verfestigung daraus Münzen hergestellt wurden. Aber das macht Potosí noch nicht zum Urlaubsort. Und so war es gut einmal den Ort besucht zu haben, allerdings konnten wir daran nicht so einen hohen Wert feststellen wie es einst die Entdecker des Silbers wahrgenommen haben. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0