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Kein Zucker, aber weiß

Sucre

geschrieben von Timo

Schon in jungen Jahren nahm ich mir zum Ziel alle Hauptstädte der Welt auswendig zu kennen und erreichte dieses Ziel auch kurzzeitig. Bei Sucre, der Hauptstadt von Bolivien, musste ich immer an Zucker denken, was nicht so weit hergeholt ist, da es auf Französisch auch Zucker bedeutet. Allerdings ist Sucre genauso wie große Teile Südamerikas nicht französischsprachig und daher kommt der Name tatsächlich nicht vom Zucker sondern von einem Bolivianischen General, der genauso wie Simon Bolivar in Caracas, Venezuela geboren wurde als Sohn von Spaniern (man nennt solche Menschen hier Criollos) und später gemeinsam mit diesem Bolivien als einen der letzten Staaten Südamerikas unabhängig vom Königreich Spanien machte. Bolivar wurde zum Namensgeber für das ganze Land Bolivien, auch wenn er eigentlich von einem Großkolumbien träumte, das von Venezuela bis nach Bolivien reichen sollte, und Sucre wurde zum Namensgeber für die Hauptstadt des neuen Landes, in der auch die Unabhängigkeitserklärung 1825 unterschrieben wurde und heute ausgestellt wird im Haus der Unabhängigkeit. Trotz der Unabhängigkeit, die die Stadt auch vom Französischen Zucker hat, hat sie dennoch eine Gemeinsamkeit mit zumindest dem raffinierten Zucker- sie ist auch weiß. Auf jeden Fall ist ihr Spitzname "Ciudad Blanca", also weiße Stadt. Und zumindest für den Bereich um die Plaza 25 de Mayo, die nach der Gründung der Stadt und der Region Chuquisaca benannt wurde und an deren Ehrentag wir auch da waren, ist der Name durchaus zutreffend. Auch um einige Bereiche des Parkes Bolivar, der wir nur wegen eines Besuches bei der Staatsanwaltschaft ansteuerten im Falle von Franzis geklautem Handy, ist die weiße Beschreibung zutreffend. Ansonsten hat es ein ähnliches Flair wie die anderen Bolivianischen Städte die wir bisher gesehen haben. Enge Straßen mit viel Verkehr und einer dadurch sehr unangenehmen Luft die einem den Rachen kratzig macht. Nichts desto trotz hat es uns lange in der Stadt gehalten einerseits weil es viel zu tun und zu sehen gab aber auch weil das Klima sehr angenehm war- tagsüber sonnig und über 20 Grad Celsius ohne Mücken. 

 

Das erste Abenteuer, das ich in der Stadt erlebte, war die Wäscherei zu finden, in der zuvor unsere Bekannten Honoré und Auriane ihre Wäsche gewaschen hatten. Es gab eine Markierung des Ortes bei Google aber trotz herumfragen auf der Straße schaffte ich es nicht ihn zu finden. Nach über einer Stunde laufen durch die Hitze mit der ganzen Wäsche im Gepäck, kehrte ich frustriert zurück ins Hostelzimmer und bat Franzi es nochmal zu versuchen. Nach weiteren knapp zwei Sunden kehrte sie erfolgreich mit der gewaschenen Wäsche und leckeren Salteñas, Gebäcke die ähnlich zu Empanadas sind, zurück und ich konnte mich langsam beruhigen. Während die Wäsche in der Hitze der Dachterrasse trocknete, versuchten wir ein erstes Museum zu besuchen, was allerdings leider geschlossen hatte. Stattdessen besuchten wir das Museum der Kathedrale an der Hauptplaza der Stadt, wo unser Besuch, der wohl der einzige an diesem Nachmittag war, einige Situationen verursachte. Nach dem Gang durch langweilige Ausstellungsräume voller religiöser Artefakte, gelangten wir in die Kapelle der Jungfrau von Guadeloupe, der Stadtpatronin von Sucre. Erst im Nachhinein durch lesen des Reiseführers erfuhren wir, dass sie das Highlight der Kathedrale ist, da sie aus Diamanten erstellt wurde und jedes Jahr am Namenstag durch die Stadt getragen wird- wenn auch nur ihr Duplikat vermutlich aus offensichtlichen Gründen. Die Krypta wollten wir nach dem Besuch der Kathedrale anschauen- leider war sie dann schon geschlossen und ein freundlicher aber bestimmter Mitarbeiter, der uns die ganze Zeit schon verfolgte, wies uns darauf hin, dass sie ja im Rundgang vor der Kathedrale drankommt. Der Rundgang findet normalerweise mit einem Führer statt, was wir aber verpasst hatten, da wir später am Tag angekommen waren. So guckten wir verärgert den Rest der langweiligen Ausstellungsstücke an und vereinbarten am Ende zumindest noch mit dem Mann beim Eingang, dass wir nochmal wiederkommen können, um die Krypta zu besuchen. Franzi wollte sich etwas auf das Ticket schreiben lassen, aber der Mann hinter dem Tisch sagte mehr oder weniger, dass er sich schon an unsere Gringogesichter erinnern werde. Und so schlugen wir einige Tage später erneut auf und in der Tat nach etwas Überlegen wurden wir gratis eingelassen. Wir schauten uns nochmal die Jungfrau an- diesmal auch bewusster- bevor wir in die Krypta hinabstiegen, in der eine faulende Leiche eines Priesters, der seit hundert Jahren tot ist, langsam von Fliegen zersetzt wird. Für dieses Besuchsziel alleine hätte sich der ganze Konflikt auf jeden Fall nicht gelohnt. Die Krypta hatte beim ersten Besuch übrigens schließen müssen, da in der Kapelle ein Gottesdienst stattfand. Das hätte man uns ja durchaus vorher sagen können und nicht davon ausgehen, dass wir den Ablauf der normalen Tour kennt, wenn man schon Teile der Tour während der laufenden Öffnungszeiten hinter uns schließt.  

 

Eigentlich hatten wir schon am Abend vor dem Wäscheabenteuer zwei Abenteuer in der Stadt erlebt. IN dem Bus aus Potosí saßen noch zwei andere Deutsche, die uns schon am Vorabend im Restaurant in Potosí aufgefallen waren. Zusammen stiegen wir vor dem abgelegenen Terminal aus und nahmen zusammen ein Taxi, was sich ggf. Finanziell gelohnt hat. Eigentlich ist der Preis bei 5 Bolivianos pro Person für das Taxi in die Stadt, aber vielleicht konnten wir den Preis von etwas mehr auf 20 Bolivianos erfolgreich drücken. Nachdem die anderen an der Plaza ausgestiegen waren, wo sie sich auf die spontane Suche nach einem Hostel begeben wollten, und 10 Bolivianos gezahlt hatten, wollte unser Fahrer noch wissen wo wir herkommen. Nach einem sehr qualifizierten Beckenbauer Kommentar seinerseits, dachten wir alles wäre entspannt und gaben ihm 20 Bolivianos in der Erwartung des Wechselgeldes von 10. Er merkte noch beim Ausladen an, dass unser Gepäck ja sehr schwer sei. Was wir nicht ahnten war, dass er dafür einfach nochmal unabgesprochen 10 Bolivianos veranschlagte und wieder einstieg und weiterfahren wollte. Hätte Franzi nicht die Beifahrertür wieder aufgemacht, wäre er wohl einfach abgezischt. Extrem dreist kramte er dann Münze für Münze raus bis er nach mehrfachem Nachhaken bei 10 Bolivianos angekommen war. Statt uns einfach den Zehner des anderen Pärchens als Wechselgeld zu geben. Das zweite Abenteuer erlebten wir dann beim Restaurantbesuch nachdem wir im netten Hostel mit blumenbehangenem Patio eingecheckt hatten. Im vermeintlich vegetarischen Restaurant erhielten wir nach langer Wartezeit die schlechtesten Falafel, die wir bisher gegessen hatten. Wir waren als eine der ersten Gäste gekommen und als wir aßen, hatte sich schon die ganze Bandbreite an international Reisenden  eingefunden. Einige gingen dann wieder, ohne Essen erhalten zu haben. Ein Pärchen nahm in unserer Wahrnehmung dabei sogar eine unbezahlte Weinflasche aus dem Restaurant mit. Nach der langen Wartezeit und dem mittelmäßigen Essen entschieden wir uns gegen einen Nachtisch und forderten lieber schnell die Rechnung, als der Kellner gerade um die Ecke war. Franzi hatte auch keinen Scham ihm hinterherzurufen, als er uns schon fast erfolgreich ignoriert hatte. Als wir nach dem Zahlen dann den Laden verließen, sahen wir den Ursprung des ganzen Übels. Der Mann war in Personalunion Kellner und Koch für bestimmt 20 Gäste an 7 verschiedenen Tischen. Kein Wunder dass das nicht gut aufging. Hoffentlich war nur seine Unterstützung an diesem Tag ausgefallen und er macht es nicht jeden Tag so. 

 

Unser erstes Highlight von unserem Sucre Besuch erlebten wir am zweiten, ganzen Tag in der Stadt. Etwas zu spät trafen wir auf der Plaza Cochabamba ein, nachdem wir uns unnötigerweise gestritten hatten wegen einer Meinungsverschiedenheit bei der Kommunikation im Zuge eines Seitenwechsels beim Gehen auf der Straße, die etwas eskalierte. Glücklicherweise trafen wir noch rechtzeitig auf der Plaza an, wo wir Manu trafen, unseren Guide, sowie Julia aus der Schweiz. Zu viert machten wir eine interessante Free Walking Tour durch Sucre, bei der Manu uns begeisterte mit interessanten Informationen und sehr gutem Englisch. Interessant fand ich zum Beispiel, dass das weiße Ursprungsviertel der Kolonialstadt Sucre so aussieht, da es einigen Orten in Kastilien und Léon nachempfunden ist, wo die meisten Kolonialisten von Sucre herkamen. Interessant war dann im Kontrast dazu das Haus des früheren Stadtadministrators, das eher pink daherkam und durch einen Patio mit Mosaikbecken in der Mitte bestach. Sofort erkannte ich den Kontrast zum Weißen und identifizierte es korrekterweise als Andalusischen Stil basierend auf dem Wissen unseres Andalusien Aufenthaltes im letzten September. Wir entdeckten hinter dem Regierungsgebäude auch ein nettes Kaffee im Garten, das wir an anderen Tagen noch besuchten. Es bestach durch eine sehr nette Bedienung und leckeren Kaffee und Kuchen. Die Free Walking Tour führte uns weiter den Berg herab, auf den wir mit einem der Stadtbusse gefahren waren, in die wir uns ohne Manu nicht getraut hatten einzusteigen, da sie sehr wuselig wirkten und es unklar war, wo sie eigentlich hinfahren. Auf halber Strecke gingen wir in den Vorhof vom Kloster Santa Clara, in dem ein Drehgestell den Platz eines Fensters zum Inneren des Klosters ersetzt. Dank Manus wissen riefen wir laut vor dem Drehgestell, dass wir gerne einige Salteñas hätten und in der Tat drehte sich das Gestell kurz danach und unsere Salteñas kamen zum Vorschein. Fairerweise legten wir unser Geld auf das Gestell und drehten es, so dass das Geld das Innere des Klosters erreichte. Unser Wechselgeld kam prompt zurück. Nach der Tour aßen wir mit Julia die Salteñas auf der Plaza, die sehr lecker waren und angeblich fast ausschließlich aus Materialien hergestellt werden, die die Nonnen im Kloster, das sie nie verlassen, selbst anbauen. Wir gaben Manu viel Trinkgeld und gingen mit Julia auf den Glockenturm an der Plaza, um einen Kaffee zu trinken. Man bestellt unten, damit der Kellner die bestimmt 30 Meter nicht zweimal hoch und runter laufen muss. Wir kamen mit dem jungen Mann ins Gespräch, der gerade Peter Fox hinter dem schicken Cafeteriatresen hörte. Er erzählte uns dass er Deutsch lerne und präsentierte uns sein bisheriges Wissen, was gar nicht so schlecht war. Nach einigen netten Gesprächen mit Julia auf dem Turm bei schönem Ausblick, stiegen wir wieder hinab und der Kellner erklärte uns noch, dass an diesem Abend eine Deutsche Feier auf der Plaza Cochabamba stattfinden würde. Wir fotografierten den Flyer, den er auf seinem Handy hatten und waren gespannt genug auf die angebliche Schwarzwälderkirschtorte, den Milchreis, die Käsespätzle und Co, dass wir abends tatsächlich nochmal den Weg zur Plaza einschlugen. Uns kamen schon zahlreiche Familien mit Utensilien voll mit Deutschlandfahnen entgegen- irgendwie sehr undeutsch so viel seine Fahne zu präsentieren. Die kleine Plaza Cochabamba war im Folgenden völlig überfüllt und wir wuselten uns tatsächlich zu den Ständen durch, von denen manche noch Reste ihrer angeblich Deutschen Delikatessen hatten. Wie wir herausfanden waren alle Speisen eher Interpretationen der Deutschen Variante, wenngleich sie so genannt wurden. Die Käsespätzle waren beispielsweise Maccaroni mit geschmolzenem Käse auf denen das Krokant verstreut wurde, was man auf Hot Dogs macht sowie zerbröselte Nachos. Nicht ganz das Originalrezept. Die Torte war dann immerhin wirklich eine Schokoladen- Sahne Torte und kam seinem Original nahe. Das eigentliche Highlight war dann allerdings eine Deutsche Tanzaufführung, bei der einige junge Leute, die offensichtlich Deutsch waren einen typisch Deutschen Tanz aufführen sollten. Gespannt warteten wir einige Zeit bis endlich eine weitere Deutsche einen "Hochzeitswalzer" ankündigte. Der folgende Tanz der drei Pärchen konnte durchaus als Walzer interpretiert werden wenngleich Franzi die nicht ausgeführten Hackenschritte ironisch-kritisch bemängelte. Einen jungen Mann, der uns irgendwie an das Internet Stereotyp BWL- Justus erinnerte, sich aber ca. Eine Woche später als Jakob herausstellte, als wir ihn beim Schokofestival wiedertrafen und ihn ansprachen, erklärte uns nach dem Absprechen, dass die sechs Tänzer alle Deutsche Freiwillige sind, die in einer Tanzschule in Sucre sind und seit ca. Einem Jahr Freiwilligendienst für Kinder in Bolivien machen. Die meisten sind nach dem Abitur gekommen, während die zwei, die nach dem Walzer noch einen guten Discofox hingelegt hatten, schon so alt wie wir sind. Wir gratulierten nochmal zum gelungenen Auftritt und wünschten dem Jungen aus Münster noch eine gute Restzeit in Bolivien. Für jede der vielen Mahlzeiten, die wir auf dem Fest aßen, bekamen wir die Tonschüsseln in denen sie serviert wurden geschenkt. Leider waren die etwas ungeeignet für die Weiterreise, aber wir konnten sie immerhin unserem Hostel überlassen.  

 

Nach der Deutschen Feier gingen wir passenderweise noch ins "Kulturzeit Berlin", ein Hostel das von den Bewertungen her eher ein Club sein soll und nicht so geeignet ist für Leute, die nachts schlafen wollen. Wir trafen allerdings ein, als der Salsa Kurs schon vorbei war und blieben nur kurz. Wir begrüßten Edgar, den wir erstmals in Humahuaca in Argentinien beim Berg der vierzehn Farben getroffen hatten und den wir nun im Haus der Unabhängigkeit wiedergetroffen hatten. Er hatte uns vom Salsa Kurs erzählt. Am nächsten Tag waren wir rechtzeitig in einer anderen Bar und nahmen an einem wirklich ganz unterhaltsamen Salsakurs Teil, bei dem jede Frau mal mit jedem Mann den für einige neu erlernten Grundschritt üben durfte sowie eine erste Figur. Nach unserem Kaffeeaufenthalt auf dem Glockenturm nahmen wir noch bei einer Führung im Haus der Unabhängigkeit teil, die uns in den Raum führte, in dem die Unabhängigkeitserklärung 1825 unterschrieben wurde und sowie Räume voller Gemälde zeigte, die die Kämpfer für die Unabhängigkeit darstellten. Besonders spannend und schockierend war ein indigenes Pärchen, das heute als Nationalhelden ausgestellt wird, dass während des Kampfes starb. Der Mann wurde getötet, in dem an seinen Extremitäten Pferde angeseilt wurden, die in jeweils unterschiedliche Richtungen ritten, was auch auf einem Gemälde festgehalten wurde. Diese Kreativität der Spanier was Brutalität angeht hat mich wieder mal überrascht, wenn gleich man sie auf Grund der vielen anderen Geschichten erwarten kann. Ansonsten gab es noch eine große Simon Bolivar Statue sowie Gemälde von fast jedem Präsidenten Boliviens.  

 

Ein Thema das uns noch dauerhaft beschäftigte, war unsere Kamera, die leider seit der Quebrada de Humahuaca irgendwelches Gestein in der Linse hat, was man bei jedem An- und Ausschalten als deutliches Knirschen wahrnimmt. Wir ließen sie in Summe zweimal in Sucre reinigen, wonach sie aber jeweils nur kurz funktionierte und inzwischen leider gar nicht mehr ausfährt. Wir hoffen dass wir in La Paz oder Santa Cruz einen Panasonic Laden finden können, der das ganze Objektiv ausbauen kann, so dass wir sie nicht wegschmeißen müssen. Ansonsten müssen wir uns wohl eine neue Kamera besorgen, wenn wir nicht ab jetzt nur noch mit meinem Handy fotografieren wollen. Das Thema ist für uns recht belastend. Insbesondere sind wir auch frustriert weil viele der Utensilien, die wir 2019 für die Reise beschafft haben jetzt ihren Geist aufgeben. Wir hätten sicherlich etwas vorsichtiger mit der Kamera umgehen können, in dem wir sie nicht mehr hätten benutzen sollen als sie anfing beim Starten zu haken und zu Knirschen, aber hinterher ist man immer schlauer. Zu dem Thema der Kamera kam dann der Diebstahl von Franzis Handy in einer belebten Zone (siehe Artikel "Schlechter Tag") dazu, der dafür sorgte, dass wir einige Tage etwas frustriert waren. Einen Tag verbrachten wir daraufhin auch nur damit Franzis Geburtstagsgutschein einzulösen, der besagte dass wir einen Tag nur im Bett sind und Filme gucken können. Franzi hat es sehr genossen die sechs Filme von morgens bis abends zu schauen und sich so etwas abzulenken.  

 

Was uns auch nach dem Diebstahl ablenkte, war eine Wanderung die wir mit Manu gebucht hatten in den Sucre umgebenden Bergen. Ich hatte sowieso mal wieder Lust auf Wandern und mit Manu hatten wir uns ja auch super verstanden und so organisierten wir die Tour mit ihm. Roco aus Kalabrien war auch noch mit als Gast dabei und so konnte Franzi mal wieder etwas Italienisch reden. Nach einer Fahrt in die Berge mit dem Minivan stiegen wir einen Inkapfad hinab, der schon seit vielen Jahrhunderten existiert und heute noch von den Jal´Qa benutzt wird, der lokalen Bevölkerungsgruppe. Manu hatte sie uns bereits im sehr guten Textilmuseum in Sucre durch ihre Webarbeiten vorgestellt, die sehr prägend für die Gruppe sind. Aus der Höhe konnten wir auch schon den "Krater von Maragua" sehen, in dem wir am Abend schlafen würden nachdem wir ca. 15 Kilometer gewandert sein würden. Manu hatte angekündigt, dass die Mahlzeiten mit im Preis drin sind und wir erwarteten, dass wir in einem Restaurant essen gingen. Nachdem klar war, dass es in dieser Region keine Restaurants gibt, rechneten wir mittags mit einem Sandwich (im besten Fall), einem Müsliriegel und einer Banane. Sattdessen tischte Manu für uns drei Wanderer aus seinem Rucksack ein kaltes Quinoagericht auf, sowie viele weitere Snacks die mich trotz mächtigem Hunger richtig satt machten. Er bestätigte so nicht sein Junggesellenimage, das wir ihm vorher zugeschrieben hätten. Die Wanderung in der Mittagshitze war dann sehr hart, da die Sonne sehr ballerte. Manu war intensiv damit beschäftigt die Hunde, die uns ständig folgten, zurück zu vertreiben, da er den Hunden etwas Gutes tun wollte. Er wusste dass die Hunde uns beide Tage folgen würden, in der Hoffnung aus Essen, und danach nicht mehr ihren Weg nach Hause finden würden. Es war nicht ganz einfach, da die Hunde trotz Verscheuchungsversuchen immer wieder hinter uns auftauchten. Am Ende des Tages brachten wir keine Hunde mit ins Hostel, aber die anderen Backpacker, die ohne Guide unterwegs waren, brachten einen der Hunde mit, die wir zuvor verscheucht hatten natürlich im Unwissen darüber warum das ein Problem sein könnte. Wir fragten uns dann auch nochmal warum wir die Wanderung eigentlich mit Guide machten und nicht ohne, da wir uns sehr betüdelt fühlten durch Manu und uns ja eigentlich auch eher als günstige Backpackertouristen wahrnehmen. Allerdings hatte ich vorab gelesen, dass ein Guide in der Region hilfreich ist, da es früher Anfeindungen der Bevölkerung gegen die Touristen gab, hauptsächlich weil diese die Felder der Bewohner unbewusst betraten, was die Bewohner provozierte. Dadurch dass es mit Manu halbwegs günstig und unkompliziert war die Wanderung anzutreten auch was den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Berge betraf, entschieden wir uns letztlich dafür. Als wir dann mitbekamen, dass die anderen westlichen Touristen auch im Hostel bekocht werden vom Hostel selber, wenn auch nicht von Manu wie wir, waren wir dann doch etwas beruhigt, dass wir nicht die kompletten Luxustouristen waren, die ihr Essen weder transportierten noch kochten. Wir waren auch sehr froh, als uns Manu dann eine Suppe und einen Eintopf servierte, den er auf einer Herdplatte gekocht hatte, da er sich den Herd mit der Köchin des Hostels teilen musste, da wir sehr erschöpft und hungrig waren. Wir waren schon beeindruckt, was Manu an dem Tag alles bewerkstelligt hatte, auch wenn er den Ausflug natürlich nicht zum ersten Mal machte. Er musste sogar abends noch das Frühstück zubereitet haben, das an eine dickflüssige Sangria erinnerte, die wohl aus Mais gemacht war, mit zerkochten Apfelstücken drin. Insgesamt waren wir schon sehr fasziniert von Manu´s Koch- und Logistikkünsten. Große Teile der Zutaten hatte er wohl bereits am Vortag im Ort stationiert, als er dort für einen Tagesausflug war. Das eigentliche Highlight war dann der angebliche Krater, der tatsächlich kein Krater ist, sondern eine Bergkette, die sich nicht nach oben aufgetürmt hat, sondern nach unten. Wissenschaftlich wird es Synklinale genannt. Man könnte aber meinen, dass es ein Krater ist, was auch einige Menschen auf Google dazu veranlasst hat den Ort als Meteoritenkrater zu bezeichnen, was er jedoch nicht ist. Spannend daran ist, dass man durch diesen Effekt die Gesteinsschichten der Jahr Millionen an der Oberfläche beobachten kann und nicht erst die Erde umpflügen muss. Noch spannender war natürlich, als wir auf einer vom Regen und der Erosion freigelegten Gesteinsplatte die Fußspuren von unterschiedlichen Dinosaurierarten von ebenfalls Millionen von Jahren sehen konnten. Unter anderem ein Fleischfresser, der ähnlich zum T-Rex durch diese Lande streifte sowie die großen Spuren des Titanosaurus, ein gigantischer Pflanzenfresser mit langem Hals und einer der schwersten Landtiere der Geschichte des Planeten. Die Spuren wirken tatsächlich so, als wären sie erst vor kurzer Zeit in den Boden getreten worden. Nach dem Besuch der Dinosaurierspuren wanderten wir weiter durch die schöne Berglandschaft, in der wir immer wieder Dörfern antrafen mit Bauern, die etwas in ihrem mit Steinen abgetrennten Gärten anbauten. Wir sahen Quinoa, Mais und Getreide gedeihen. Nach einem ambitionierten Abstieg von den Bergen nach Potolo durch einige Flusstäler hindurch und durch einen roten Canyon, der uns an einige vorherige Ziele unserer Reise erinnerte, waren wir froh am Ziel angekommen zu sein. Die Sonne knallte stark und Manu organisierte uns einen Platz im Mini Van. Der Fahrer beorderte uns hastig in sein Inneres ehe wir alle anderen Gäste abluden und nach einer Hin- und Rückfahrt nach einer guten halben Stunde wieder beim Ausgangsort ankamen. "Jetzt müssen wir erstmal zwei Stunden auf eine Straßensperrung warten", berichtete der Fahrer mit Verweis auf Probleme auf der Strecke zurück nach Sucre. Manu war verärgert und berichtete uns, dass der Fahrer uns verarscht hatte. Er hatte uns nur mitgenommen, damit wir den letzten Bus zurück nicht bekommen , der zwischenzeitlich aus Potolo abgefahren war, während wir unnötigerweise in seinem Auto saßen. Zum Glück hatte der Fahrer die Rechnung ohne die Verspätung des Busses gemacht, und so konnten wir doch noch in einen alten, holprigen Bus einsteigen, der uns auf der spektakulären Straße zurück nach Sucre brachte. Es gab in der Tat Straßenarbeiten, die aber fürs Passieren pausierten. Bei großen Teilen der Strecke ging es neben dem Fenster steil mehrere hunderte Meter bis Kilometer hinab. Zum Glückfuhr der Busfahrer gut, aber es war schon Nervenkitzel am Fenster zu gucken. Ich kann verstehen, wenn man in so einem Fall betet. Wir passierten auch den Ausgangspunkt unserer Wanderung am höchsten Punkt der Strecke. 

 

Nach einem Tag im Bett mit Netflix auf dem Fernseher, an dem Franzi nochmal abschalten konnte, war der Feiertag der Stadtgründung von Sucre wenngleich die große Party irgendwie schon am Vortag stattfand. Wir schauten einige Klassiker im Bett und Franzi bekam kulinarische Versorgung. Das Museum Gonzalez, das Mobiliar präsentierte aus der Zeit des 19. Jahrhunderts von den reichen Mineneigentümerfamilien, war nicht sehr interessant. Nur der Blick vom Balkon über die Plaza interessierte uns letztendlich. 

 

Da Franzi nicht genug von Dinosaurierspuren bekommen konnte, besuchten wir noch Cal Orcko´o, ein Industrieanlage zur Gewinnung von Kalkstein für Beton, in der Dinosaurierfußspuren gefunden wurden. Sie laufen vertikal einen Hang hoch, da der Boden im Laufe der Millionen Jahre hochgeschoben wurde durch die Plattentektonik. Erneut kann man deutlich Spuren unterschiedlicher Reptilien entdecken. Ein netter Kiwi schenkte uns im Anschluss seine Karte für die Seilbahn in La Paz und unsere Kamera knipste bis heute seine letzten Bilder bevor das Knacken der Linse weitere Fotos mit ihr verhinderte. Es sind wohl die Zähne in der Linse, die verbogen sind. Mal schauen ob jemand in Santa Cruz die zurückgebogen bekommen bekommt, man die ganze Linse ersetzen kann oder wir uns gar eine neue Kamera kaufen (müssen). 

 

Zum Abschluss von Sucre gingen wir noch zur Show "Origenes", die Tänze und Musik (vom Band) aus ganz Bolivien präsentierte und sehr ähnlich zur kulturellen Show auf Rapa Nui war, nur natürlich eine andere Kultur darstellte. Wir mogelten uns zum Einheimischenpreis rein, weil der Anbieter uns nur diesen vorher gesendet hatte und wir dann an der Kasse auf diesen bestanden. Das hat uns nicht beliebter gemacht aber auch nicht weniger arm. In der Show war das faszinierendste die Kostüme. Von Kleidern und Hemden und Hüten, die ans koloniale Spanien erinnerten ging es bis hin zu einem feuerspeienden Federkopf, einem schwertschwingenden Maskengesicht, der den Federkopf bekämpfte oder einem scheinbar uralten Mann, der aussah wie ein Druide bei Asterix, dabei aber auch wild tanzte. Auch ein riesiges Stofftier, wie der Hauptgewinn auf dem Jahrmarkt, war Teil der Show. Viele dieser Kostüme sind wohl Teil des Karnevals unterschiedlicher Kulturen im Altiplano. Auch die Karnevalsoutfits, die im Textilmuseum ausgestellt waren, konnten wir wiederentdecken. 

 

Sucre wird uns mit Gutem und Schlechtem in Erinnerung bleiben, aber wir erlebten einige schöne Momente dort und es ist eine angenehme Stadt. 

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