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In der Wildnis und außerhalb der Komfortzone

Rurrenabaque

geschrieben von Timo

In Rurrenabaque oder "Rurre", wie es alle der Einfachheit halber nennen, hingen wir eine Woche zwischen Bett und Hängematte, da ich mich bei der anstrengenden Autofahrt von Trinidad erkältet hatte und dann Franzi krank wurde, als es mir gerade wieder besser ging. Dadurch konnten wir uns immerhin gegenseitig pflegen allerdings wird unsere Zeit in Bolivien langsam knapp da wir noch einiges sehen wollen und nur noch einen Monat ein unverlängerbares Visum haben. Wir haben in der Migrationsbehörde mal nachgefragt ob man noch verlängern kann und es wurde gesagt, dass die 90 Tage pro Jahr vom Gesetz festgelegt sind. "Aber...", holte der Staatsbedienstete aus, wir könnten ein Arbeitsvisum kaufen und noch 30 Tage mehr dadurch bleiben. Er hatte einen Zettel mit einer Liste was man alles machen müsste dafür inkl. Anwalt und Arbeitsvertrag und mit Kuli Preise für diese Schritte danebengeschrieben. Er meinte, dass er befreundet sei mit einem Mann aus dem Wildtierreservat von Rurre und dass wir dort problemlos Arbeitsverträge bekommen könnteb. Er gab uns seine Nummer mit, falls wir sein Angebot des gefaketen Visums annehmen wollten. Für uns war das keine Option. Dann schon eher länger im Land bleiben als erlaubt und pro Tag eine Strafe von ca. 4€ zahlen. Unsere favorisierte Variante ist allerdings an Tag 90, also Anfang August auszureisen. Dafür müssen wir uns jetzt etwas beeilen sprich weniger Tage mit Pause machen.  

 

Unser tägliches Highlight während der Regeneration war das Frühstück, das in unserem günstigen Hotel exzellent war. Neben einem leckeren Kaffee gab es frischen O- Saft oder an zwei Tagen sogar frischen Sternfruchtsaft vom Baum aus dem Garten sowie einen frischen Obstsalat mit Papaya, Bananen und Orangen und das übliche Brot mit Marmelade und Butter sowie Rührei. So gesund und reichhaltig war schon lange kein Nicht- Buffet Frühstück.  

 

Am vorletzten Tag wurden wir ungewohnterweise noch vor unserem Frühstück vom netten Hotelbesitzer geweckt. Er erzählte uns, dass der Touranbieter von unserer gebuchten Pampastour, die wir schon gebucht hatten aber wegen der Krankheit vor uns herschoben, hier sei und wissen will ob wir doch spontan heute schon mitkommen können. Der Grund sei, dass die Straße nach La Paz auf unbegrenzte Zeit blockiert worden sei- eine hier übliche Form des zivilen Ungehorsams- und der nette, ältere Verkäufer Oscár, der auch dabei war, daher die nächsten Tage keine weiteren Touristen als uns erwarten würde und uns aus Kostengründen nicht alleine losschicken will. Wir sagten aber, dass es heute noch nicht möglich sei wegen der noch nicht ausgelaufenen Krankheit und wir nicht überstürzt uns fertig machen wollten, nur um dann schon ein paar Stunden des ersten Tages verpasst zu haben. Oscár war verständnisvoll und wir waren etwas überrascht als am nächsten Morgen, an dem es Franzi schon wieder deutlich besser ging, in seinem Büro viele andere Touristen waren, die mit uns zusammen ins dreitägige Pampasabenteuer aufbrachen. Wir waren in einer Gruppe mit einem anderen Pärchen und unserem Guide Reinildo. Aber es fuhren noch andere Gruppen mit anderen Autos mit uns nach Santa Rosa, um dort Mittag zu essen. Im Hinterhof der Küche, in der wir aßen, lebte ein Tukan und ein paar blau- gelbe Aras- vermutlich alle mit gestutzten Flügeln. Franzi konnte erfolgreich den faszinierend bunten Schnabel des Tukans anfassen, ohne dass er sie biss. Auch die stark blaue Augenumrandung des Tukans ist faszinierend. Faszinierend war auch das erste Tier, das wir auf der Straße naxh Santa Rosa sahen und was wohl schwer zu finden ist. Ein Faultier hing oben in einem Baum etwas abseits der Straße. Sie ernähren sich von allem am Baum und es leben wohl bis zu dreißig Insektenarten in ihrem Fell. Wenn sie vom Baum absteigen, um ihre Ausscheidungen zu machen, machen dies unten wohl auch die Insekten bevor es wieder hochgeht, sagte unser Guide. Sie locken sich gegenseitig mit Geräuschen für die Paarung, allerdings lauern unten am Boden auch die Gefahren für sie wie Kaimane und Schlangen. Deshalb war ich etwas nervös als das Faultier plötzlich den Stamm langsam hinabkletterte, nachdem unser Guide ein wohl treffendes Geräusch gemacht hatte. Umso mehr freute ich mich, als das Faultier kurz danach kopfüber und langsam an einem anderen Ast wieder hochkletterte. Die Tukane und Capybaras entlang der Strecke waren nett aber nichts Neues für für uns. Neu war die Riesenanakonda am Ufer des Río Yucama, an dem wir am Ende der Fahrt ankamen. Da sie neben einem Flussdelfin am Ufer stand, war aber schnell klar, dass sie beide nur als Holz sind. Echt waren hingegen die Kapuzineräffchen im Baum, die Kaimane am Ufer sowie die Flussdelfine im Wasser. Damit hätten wir uns unsere teure und schlechte Tour in Trinidad sparen können. Zumal diese Tour viel professioneller war. Es legten zahlreiche Holzboote gleichzeitig ab mit zahlreichen Touristen an Bord. Sie waren jetzt zwar nicht super stabil, wirkten aber besser als andere Boote, die wir zuletzt in Bolivien erlebt hatten. Wir hielten auf der langen Bootsfahrt zu unserer Unterkunft immer wieder bei Kaimanen, Schildkröten oder Vögeln an Ufer an, um sie näher zu betrachten. Bei den Kaimanen hatte ich wirklich Angst, als wir ein paar Meter neben ihnen anlandeten, während sie sich am Ufer sonnten oder im Wasser dümpelten. Die Yacare Kaimane können bis zu 2,5 Meter groß werden, aber der schwarze Kaiman kann bis zu 6 Meter groß werden und gleicht so eher einem Krokodil. Bei den kleinen Kaimanen hatte ich immer schon die Befürchtung, dass sie mir mit zwei schnellen Schritten in den Arm beißen könnten, aber bei einem Kaiman von 4 Metern Länge, der wirklich wie ein schwarzes Krokodil wirkte und im Wasser hinter einigen Pflanzen entspannte, wurde ich schon recht panisch als er den Rückwärtsgang einlegte und sich in eine Position brachte aus der heraus er uns angreifen könnte. Unser Guide Reinildo erklärte uns ganz entspannt, dass Kaimane tagsüber nicht jagen, sondern sich nur sonnen oder im Wasser dümpeln. Nur wenn das Futter vor ihrer Nase auftaucht, würden sie zupacken. Aber an Booten haben sie kein Interesse. Nachts sieht es dann schon anders aus. Während Kaimane tagsüber regungslos neben Capybaras stehen und nichts tun, würden sie sie nachts attackieren, um sie zu fressen. So würde es sich auch verhalten, wenn man nachts ins Wasser fällt insbesondere wenn man viele Bewegungen im Wasser macht. Auch andere Kaimane würden Kaimane fressen, erzählte Reinildo. Ich war trotz der Infos nervös als die Kaimane neben unserem Boot mit 30 cm Rand über dem Wasser abtauchten und ich nicht wusste wo sie wieder auftauchen würden. Tatsächlich tauchten sie dann aber meistens garnicht mehr auf. Ansonsten war die Fahrt durch das dunkelbraune, strömungsstarke Wasser angenehm und entspannend und die Böschung voller Vögel und anderer Tiere war spannend zu beobachten. Der Serere war ein sehr präsenter wie spannender Vogel, der durch seine Geräusche und sein Verhalten an astmathische Hühner erinnerte, die im Baum über dem Wasser hockten. Sein blauer Kopf mit goldenen, abstehenden Haaren ähnelte Hühnern allerdings nicht.  

 

Nachdem wir in den Bereich des Flusses gekommen waren, in dem einige Lodges von Touranbietern am Ufer standen, trugen wir unsere Daypacks ins Zimmer. Für diese Tour haben wir unser Gepäck auf drei kleine Rucksäcke reduziert. Nach einer kurzen Check- In Phase ging es auch schon wieder ins Boot zum Sonnenuntergang wo ein paar lokale Kinder mit den Touristen vor dem roten Himmel auf einer Wiese Fußball spielten. Wir genossen die Farben bis die von Reinildo angekündigte Fiesta de los Moscitos begann. Im Dunkeln navigierte er gekonnt durch den Fluss zurück zur Unterkunft. Das Coole war, dass man durch Leuchten mit der Taschenlampe ins Gebüsch die Kaimane entdecken kann. Ihre Augen leuchten rot in der Dunkelheit und man kann sie so auf vielleicht hundert Meter im sich schlängelnden Fluss sehen. Tagsüber ist es im Gebüch sehr schwierig oder erst recht wenn sie wie ein Stück Holz mit ihren Augen aus dem Wasser luschern. Das weniger Coole war, dass man mit der Stirnlampe eine riesige Biomasse an Insekten anlockte, die alle gegen den Kopf knallten. Etwas unangenehm. Gestochen wurde man auch trotz weißer Klamotten und Insektenspray. Viele Käfer und andere Insekten umschwirrten auch die Lichter unserer Anlage. Mehr Sorge hatte ich allerdings davor nachts auf dem Boden zu trampeln, da Reinildo uns empfahl nur mit starkem Licht zu laufen und auf den Boden zu gucken, um nicht auf eine Tarantula oder eine Giftschlange zu treten. Da wir ca. 5 Stunden von einem Krankenhaus und bestimmt 15 Stunden von einem guten Krankenhaus entfernt waren, wollte ich tödliche Seren in meinem Körpervunbedingt vermeiden. Das veranlasste mich dazu in der ersten Nacht lieber in eine leere Flasche zu pinkeln als aus dem Zimmer zu gehen und über eine Treppe zur oben halb offenen Gemeinschaftstoilette zu laufen und danach in mein Bett zurückzukehren. Mein Bett war allerdings auch kein schöner Ort. Wir hatten nur eine Überdecke und ein Laken in einem Moskitonetz. Immerhin hatten wir einen Gemeinschaftsschlafsaal nur für uns. Die in südlichen Ländern übliche, gewaschene Decke zwischen der Überdecke und dem Körper fehlte allerdings. So legte ich mich lieber völlig verschwitzt in meinen Klamotten ins Bett, um keinen direkten Kontakt mit dercDecke zu haben. Es war sehr unbequem. Franzi stieg mutig im Dunkeln unter die Dusche zu der Ansammlung an Insekten im Badhäusschen. Leider kam nach dem Einseifen kein Wasser mehr aus dem Duschhahn. So versuchte ich während des Zähneputzens irgendwie zu unterstützen. Am Ende half etwas des raren Flaschenwassers, um die Seife wieder abzubekommen. Die Laune war beidseitig auf einem Tiefpunkt. Immerhin war Franzi etwas frisch, als sie ins Bett stieg.  

 

Das Schlangenthema bekam am nächsten Morgen eine neue Dimension als wir nach dem Frühstück aufbrachen, um aktiv nach einer Anakonda zu suchen. Anakondas sind Würgeschlangen, die überwiegend im Wasser leben. In matschigem Wiesengelände erreichen sie eine Größe von etwa drei Metern, in Seen können sie wesentlich größer werden. Wir fuhren mit dem Boot zu einer großen Wiese, die in der Regenzeit komplett vom Fluss geflutet ist und nun im Winter matschig und von einigem stehendem Gewässer bedeckt ist. Wir sollten auf giftige Schlangen achten während der Suche, da diese potentiell gefährlich sind. Die Kobra hier, auch falsche Kobra genannt, beißt schnell ist aber glücklicherweise nicht giftig. Die Klapperschlange ist hingegen lebensgefährlich, warnt einen aber netterweise mit ihrem Geklapper bevor sie angreift. Auch gibt es Giftschlangen im Wasser, die sogar Kühe töten können. Ich hoffte, dass unsere geliehenen Gummistiefel uns im Zweifelsfall ausreichend beschützen würden im Fall der Fälle und setzte sehr angespannt Schritt für Schritt. Im sehr hohen Gras bzw. im tiefen Matsch war es allerdings schwierig zu sehen worauf man tritt. Da hoffte ich einfach, dass  nichts passiert. Irgendwann war es auch zu anstrengend auf jeden Schritt zu achten insbesondere da die Sonne stark schien und es sehr schwül war. Letztendlich fanden wir keine Anakonda nur einige Zecken bei einigen Teilnehmern. Ich freute mich über die nun funktionierende Dusche im Camp und die erneut sehr leckere und vielseitige Mahlzeit, die zwei Frauen in der Küche für über zwanzig Leute im Camp zubereiteten ohne abends nach Hause gehen zu können. Bevor es zum Mittag ging, entdeckten wir dann aber doch noch eine Anakonda. Reinildo hatte sie wohl von der anderen Flussseite aufgegabelt und in unser Camp gebracht. Alle die wollten posierten einmal mit der vielleicht zwei Meter langen Schlange bevor sie wieder zurück in ihr Habitat gebracht wurde. Reinildo behauptete, dass es die Schlange entspannt von Menschen angefasst zu werden, da es für sie angenehm warm ist und sie dann sogar etwas dösen könne. Ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich stimmt. Auch fragten wir uns, ob es auf der anderen Flussseite einen Käfig gäbe, wo die Guides bei unerfolgreicher Anakondasuche im Feld nochmal ein Exemplar abholen könnten, damit zumindest jeder mal eine gesehen hat.  

 

Unser zweiter Ausflug am Tag brachte mir dann sehr viel Spaß und war spannend zugleich. Wir fuhren ein Stück mit dem Boot den Fluss entlang, an Reihern und anderen Vögeln sowie Kaimanen vorbei, und erreichten eine Flussstelle, an der die Strömung in der Kurve sehr gering war. Reinildo hatte Holzstücke mit einem Art flexiblem Draht vorbereitet, den man auch als Wäscheleine nutzen könnte. Vorne hatte der Draht einen Metallhaken, auf den er ein Stück Würfelschinken steckte. Er warf den Haken ins Wasser und die Schnur wackelte ein bisschen. Fix zog er die Schnur wieder rein, aber nichts war passiert. Dann gab es jedem von uns ebenfalls diese Form der Angel und meinte, dass wir jetzt Piranhas damit fischen sollen. Da wir von diesem Programmpunkt schon vorab wussten, kam es nicht so überraschend. Überfordert mit der Aufgabe war ich dennoch. Ich warf den Angelhaken ins Wasser und es zappelte direkt an meiner Schnur. Leider kam kein Fisch mit raus, als ich den Haken fix rauszog. Zu fünft fischten wir einige Zeit und wechselten insgesamt viermal den Ort, um dort nach Fischen zu suchen. Am Anfang merkte man an jedem Ort immer ein intensives Interesse von den Tieren unter Wasser, die man nicht sehen konnte, an dem Stück Fleisch. Nach einiger Zeit ließ das dann nach. Vermutlich auch weil Reinildo schon den ein oder anderen Fisch aus dem Wasser gezogen hatte. Es war eine Art Katzenfisch circa so lang wie eine Hand und auch eine Art der Piranhas, die er hervorzauberte. Die bunt schimmernden Fische, die ebenfalls etwa so groß wie eine Hand waren, hatten in der Tat scharfe, kleine Zähne. Nicht so groß einem riesige Verletzungen hinzuzufügen, aber groß genug um ein Stück Fleisch aus einem Menschen rauszubeißen. Jetzt können wir uns noch besser vorstellen, was damals in Paraguay mit Franzis Zeh passiert ist. Das Pärchen, was mit uns in einer Gruppe war, hatte bisher auch noch keinen Fisch gefangen. Wir verstanden uns sehr gut mit Ulrik und Cortney, die in La Paz wohnen. Cortney ist Deutsche, aber mit sieben Jahren zusammen mit ihrer jungen Mutter zu ihrer Oma nach La Paz gezogen, die dort mit einem Bolivianer zusammen war. Ulrik, der mit Nachnamen von Reichhofen heißt, ist Kolumbianer und lernt nun ein wenig Deutsch. Seinen Urdeutschen Namen hat er von seinem Großvater, der nach dem zweiten Weltkrieg nach Argentinien geflohen ist nachdem er für Deutschland gekäpft hatte. Sein Vater, der ihn als älterer Mann in Kolumbien 1990 mit seiner sehr jungen Frau bekam, wurde kurz nach seiner Geburt vor einem Clan entführt und gilt bis heute als verschollen. Es wurde nur eine Nachricht auf der Scheibe seines Autos hinterlassen, mit dem er unterwegs war. Er war ein Lokalpolitiker und setzte sich für den Tourismus ein. Außerdem war er ein bekannterer Sänger. Keiner weiß warum der Clan ihm das angetan hat. Passenderweise hat Ulrik Cortney auch über eine Karaoke App kennengelernt, in der Cortney ein Lied gepostet hatte, was sie sang. Voraussichtlich besuchen wir die beiden so wie Cortneys sechsjährigen Sohn Malek, wenn wir in La Paz sind. Cortney spricht perfekt hochdeutsch, während wir mit Ulrik und zu viert Englisch sprachen. Untereinander sprachen die beiden Spanisch. Netterweise guckte Cortney, die ausgebildete Medizinerin ist, auch einmal meine Wunde an und befand sie als gut. Heute arbeitet sie allerdings für eine Deutsche Leiharbeitsfirma und bezahlt interessanterweise in keinem Land Steuern. Nicht mal in den USA, obwohl sie wegen der Nationalität ihres Vaters Amerikanerin ist. Sie meint, dass das für sie ertragreicher sei, als in einem Bolivianischen Krankenhaus zu arbeiten. Ihr Opa hofft auch, dass sie seine Klinik in Berlin eines Tages übernimmt, aber sie hat lieber ihre günstige Wohnung in La Paz. Irgendwann war es dann aber soweit und Ulrik zog den ersten Fisch aus dem Wasser. Er zappelte wild an seiner Leine, fiel aber nicht ab. Ulrik posierte Stolz mit ihm. Ich hatte zuvor auch schon einen an der Leine, allerdings fiel er mir nach ein paar Sekunden neben das Boot zurück ins Wasser. Da hatte sich das zappeln für ihn gelohnt. Letztendlich fischte ich auch einen Fisch heraus, der aber nicht am Haken blieb, sondern zappelnd ins Boot fiel. Er schimmerte weißlich und orange. Wir sammelten ihn mit einer halbierten Plastikflasche auf. Franzi fing auch zwei Fische. Eine Sardine, die Reinildo als unnütz einstufte, weswegen sie zurück ins Wasser geworfen wurde und einen weiteren Katzenfisch, der zu den Piranhas gelegt wurde. So konnte Franzi leider keine direkte Revanche an den Piranhas nehmen. Reinildo und Ulrik lieferten sich ein enges Duell und am Ende hatten beide um die sechs Fische gefangen. Während wir unser Glück noch weiter versuchten, schnitt Reinildo mit seinem Messer die Mägen der Fische heraus und schmiss sie ins Wasser. Ich dachte zunächst, dass sie noch leben würden, da sie sich hektisch im Wasser zappelten, bis Reinildo mit erklärte, dass das die anderen Piranhas seien, die die Reste der Artgenossen aufaßen. Allgemein meinte er, dass alle Fische Fleischfresser seien. Er schnitze einen Stock zurecht und spießte die Beute des Tages auf. Später gaben wir sie in die Küche und konnten sie mit Limone zum Abendbrot essen. Die Piranhas schauten uns fies an, während wir die Oberflosse rausrissen und das Fleisch von den Gräten abknabberten. Es schmeckte nicht schlecht- Fisch halt. 

 

Früh am nächsten Morgen beobachteten wir den Sonnenaufgang von einer Wiese aus, die in der Regenzeit Teil des Flusses ist. Nach einer kurzen Billiard und Tischtennispause im Camp und dem Beobachten eines Bolivianischen Totenkopfäffchens auf einem Baum, ging es per Boot wieder auf den Fluss. Etwas belustigt stellten wir fest, dass eine Teilnehmerin aus einer anderen Tour nach dem Ausstieg auf dem Boot mit ihrem Gummistiefel bereits im Schlamm feststeckte, während die anderen auf sie warteten, um auf Anakondasuche zu gehen. Ihre Mitstreiter konnten sie herausziehen, aber den Gummistiefel bleib stecken. Als wir später wieder kamen, war außer dem Loch nichts mehr da, aber es hat länger als erwartet gedauert sie zu befreien. Reinildo, der aus einer Takana Gemeinschaft aus dem wenig besiedelten Norden Boliviens in einem Dschungelumfeld des Amazonasbeckens kommt, sagte dass eine ähnliche Gefahr bestehe, wenn man in die unbekannten Gewässer hier spränge. Einige Schwimmer wurden durch Steckenbleiben am Grund schon zu unfreiwilligen Tauchern und dann zu Wasserleichen. Wir waren gewarnt, denn nun stand der Programmpunkt Schwimmen an, bei dem jeder der möchte ins Wasser springen kann, das ja bekanntermaßen von Kaimanen, Schlangen und Piranhas bewohnt wird. Franzi wollte eine Garantie, dass sie nicht gebissen wird, bekam aber nur die unbefriedigende Antwort, dass das Wasser das Haus der Piranhas sei. Die Kaimane interessieren sich wohl nicht für Menschen und die Schlangen sind schwer zu finden. Nachdem wir einige Zeit eine Amerikanische Familie in einem anderen Boot beobachtet hatten, sie mit kleinen Kindern ins Wasser gesprungen waren, entschloss sich Franzi auch ins Wasser zu gehen. Schließlich schwammen hier auch die Flussdelfine, die sich immer mal wieder zeigten, und das deutet auf wenig Piranhaaktivität hin. Außerdem hatte bisher keiner geschrien. Franzi schwamm etwas im Fluss mit starker Strömung neben dem Boot, erreichte aber keinen Delfin. Währenddessen flog ein Schwarm Blaulatzaras über unsere Köpfe, die auch in der Höhe schön leuchteten. Wir wechselten noch ein paar Mal den Badeort und Franzi sprang ein paar Mal rein, aber ohne tierischen Kontakt im positiven wie im negativen Sinne. Schließlich ging es auch schon wieder fix über den Fluss zurück nach Santa Rosa und von da ins Auto. Es hatte geregnet und die schlechte, matschige Straße war hier und da aufgeweicht. Üblicherweise regnet es eigentlich in der Regenzeit, aber derzeit regnet es einige Male hier. Die Straße wird wohl seit acht Jahren von den Chinesen asphaltiert mit begrenztem Fortschritt. An einer Stelle türmte sich aber der Schlamm über hundert Meter und es hatte sich beidseitig eine Schlange gebildet von Fahrzeugen die überlegten wie es weiter gehen sollte. Das Problem war wohl schon bekannt. Eins der Fahrzeuge unserer Tour versuchte es, aber der Antrieb über die zwei Vorderräder war nicht ausreichend. Es blieb stecken und musste zurückgeschoben werden. Nachdem wir und ein paar andere ausgestiegen waren, wurde ein neuer Anlauf unternommen. Mit den angetriebenen Vorderrädern in der erhöhten Mitte der Fahrbahn und durchdrehenden Reifen, wurde das Heck das nach rechts abfiel mühsam mitgezogen. Es funktionierte tatsächlich während ein anderes Auto mit Allradantrieb stecken blieb. Selbst das Laufen im Schlamm, der sehr seifig war, war schwer und man musste aufpassen nicht auszurutschen. Umso unentspannter war es als die Autos, die ihren Versuch unternahmen, plötzlich mit Vollgas hinter einem herkamen in der Hoffnung, dass sie nicht abrutschen. Schnell musste man dann zur Seite springen und versuchen die Balance zu halten. Insgesamt kamen wir aber mit völlig verschlammten Schuhen aus der Nummer raus und schafften es fast pünktlich zurück nach Rurrenabaque. Das ist bei Regen auf dieser Straße alles andere als selbstverständlich. Mehrere Laster, die es versucht hatten, standen nun abgerutscht im Graben an der Seite der Straße. Zurück im Büro beschlossen wir am nächsten Tag zu dritt mit Felicity aus Adelaide auch noch ein zweitägiges Dschungelabenteuer zu unternehmen nach einer Nacht durchatmen im Hotel. Genauso wie die Pampastour sollte auch der Dschungel spannend und erlebnisreich werden. 

Felicity war auch schon bei der Pampastour dabei gewesen und hatte sich teilweise unserer Pärchengruppe angeschlossen, da in ihrer Gruppe zwei sehr unreife, junge Männer waren, die sie sogar einmal sexuell belästigten. Nachdem sie sich wohl am Vorabend nett unterhalten hatten, fand der junge Brite es lustig auf einem Gruppenfoto so zu tun als würde er seine Hand von hinten vor Felicitys Brust zu halten, ohne dass sie es mitkommt. Der junge Niederländer, der das Foto geschossen hatte und mit dem Briten unterwegs war, fand es ebenfalls sehr lustig und so lachten sie danach darüber, so dass Felicity es mitbekam. Die 33-jährige fühlte sich sehr verletzt dadurch und schleppte das Thema den Rest des Tages mit sich rum und erzählte auch uns davon. Schließlich sprach sie die Jungs abends im Schlafsaal noch darauf an, so dass ich hinter der dünnen Wand aufwachte und alles mithörte. Zuvor hatte sie einer anderen Gruppe von dem Fehlverhalten erzählt und als die Jungs im Essenssaal noch einen anzüglichen Witz über Felicity machten, wurden sie von der anderen Gruppe verbal angegangen. Nachdem sie Felicity im Schlafsaal fragten, ob sie das Verhalten der Gruppe auch so merkwürdig fände, erzählte sie ihnen davon dass sie sie sexuell belästigt hatten, anscheinend ohne es selber mitzubekommen. Die Aussagen "Ich dachte wir wären Freunde", "es war doch nur ein unreifer Witz" und "Meiner Schwester kann das nicht passieren, da sie einen Freund hat", zeugen von wenig Empathie und Arroganz. Immerhin konnten sie es nun verstehen und entschuldigten sich. Am nächsten Tag entstand dann allerdings wieder ein Foto auf dem Felicity im Bikini drauf ist und der Niederländer sich die Nase zuhält und ihn ihre Richtung zeigt. Völlig unnötig. Man wünscht sich, dass die beiden, die meistens darüber sprachen wie heiß irgendwelche Frauen sind, nochmal so richtig auf die Nase fallen.  

 

Am nächsten Tag bestand eine gute Chance dazu, da wir tatsächlich im selben Boot mit ihnen in den Dschungel fuhren. Sehr zur Abneigung von Felicity. Aber ihr wurde versprochen, dass die beiden unterwegs rausgeworfen werden mit ihrem Guide, da sie drei Tage lang ohne Camping im Dschungel überleben wollten. Sie hatten nur ihr Gepäck und Wasser dabei. Wir wählten die entspanntere wenngleich immer noch abenteuerliche Option im Dschungel zu campen und dann einzelne Ausflüge zu machen. Bevor wir allerdings ankamen, besuchten wir auf einem Dschungelspaziergang noch eine  Aussichtspunkt für die Scharlacharas, deren Aussehen dem Bild eines Papageien entspricht, das mir in der Kindheit beigebracht wurde. Der Weg dahin verlief durch Sekundärregenwald und ich hatte schon ziemlich Hunger. Da kam es sehr gelegen, dass wir an einem Termitenbau an einem Bau auf Brusthöhe vorbeikamen und erstmal ein paar lebende Termiten snackten. Sie schmeckten nicht wirklich nach Minze, aber auch nicht verkehrt. Ich hätte allerdings deutlich mehr essen müssen, um satt zu werden. Die zahlreichen Ameisen die durch den Dschungel liefen, waren hingegen nicht zum Essen geeignet. Faszinierend waren die Blattschneiderameisen, die geschäftig ihre Blätter über unseren Weg trugen und ihn an dieser Stelle statt braun grün erschienen ließen. Die 24- Stunden Ameise ist eine der größten Ameisen der Welt und ihr Biss soll sehr schmerzhaft sein. Sie saß alleine auf einem Blatt. Die Rote Feuerameise beherbergt eine gewisse Art von Bäumen und lebt mit dem Baum in einer Symbiose zusammen. Wenn man den Baum berührt, greifen die Ameisen an. Daher sollte man wissen an welchen Baum man sich lehnt. Diese Bäume wurden früher von Indigenen als mehrtägige Bestrafung für Mitglieder der Gemeinschaft genutzt, wenn man sich fehlverhielt. Wer überlebte, durfte nach drei Tagen gefesselt am Baum das Dorf verlassen. Eine gute Überleitung zu den beiden Jungs, die uns nach einer kurzen Bootsfahrt auf dem berühmten Río Tuichi mit ihrem Guide verließen. In den 1980ern gab es hier eine Expedition, die dafür sorgte dass eine Mitglieder verschollen gingen. Seit 2017 gibt es einen Spielfilm über das Buch eines der Überlebenden. Wenig später kamen wir uns auch an unserem Anleger an. Also der Anleger war ein kleiner Strand am braunen Fluss. 

 

Während die beiden Touristen sehr begeistert von ihrem Aufenthalt wirkten, wirkten die ältere Frau, die sich als Köchin herausstellte, sowie der ältere Mann, der unser Guide sein würde, und erst recht der 12-jährige Sohn alles andere als begeistert. Wir erfuhren später, dass sie immer erst mit Ankunft des Bootes wissen, ob sie zurück nach Rurrenabaque dürfen oder noch bleiben müssen und warten immer mit gepackten Sachen auf das Boot, nur um diese dann enttäuscht zurück zu bringen. Erfreulicherweise tat das der lebhaft positiven Natur der beiden Älteren keinen Abriss. Unsere Köchin Nancy kochte in dem Zelt auf einem Feuer und auf Gas und ohne fließend Wasser fantastisch für uns und die Mahlzeiten waren variabler und größer als in der Zivilisation. Ihr Junge war am nächsten Tag auch schon etwas erfreuter vor allem weil Felicity, die normalerweise Kinder in diesem Alter in der Schule unterrichtet, sich ihm etwas annahm und ihm ihr iPad lieh. Und auch mit Severo hatten wir viel Spaß. Der 62-jährige, der einen 27 jährigen Sohn hat, also genauso wie mein Vater, ist ein Kind des Dschungels und macht seine Touren mit Touristen schon seit vielen Jahren. Wegen der vielen Israelischen Touristen in der Tour, die wegen dem Mann der Eigentümerin kommen, kann er sogar schon etwas Hebräisch. Englisch ist schwieriger, aber wir kamen gut auf Spanisch mit ihm zurecht, was Felicity auch spricht. Insgesamt machten wir vier Spaziergänge mit ihm, von denen Felicity nur an zweien teilnahm. Einen abends, einen nachts, einen früh morgen und einen mittags am zweiten Tag. Er zeigte uns viele nützliche Dinge im Dschungel und brauchte zumeist nur seine scharfe Machete dafür. Auch Tiere sahen wir einige, wenn auch nicht die bekannten, größeren Tiere wie in der Pampa. Die Pflanzenvielfalt ist darüber hinaus viel größer und faszinierender und umgibt einen vor allem komplett. Nachdem wir unsere geliehenen Isomatten und Schlafsäcke mit einem Moskitonetz umgeben hatten, zeigte uns Severo noch eine weiße Larve, die in einer Nuss lebt und mal ein Schmetterling werden würde. Keiner traute sich sie zu essen, auch wenn sie wohl appetitlich nach Kokosnuss schmeckt. Wir profitierten lieber von Nancys Kochkünsten. Mit schwer gefülltem Magen und etwas müde ging es erstmals in den Dschungel. Severo fragte uns, ob wir wissen wie wir uns verteidigen könnten zum Beispiel gegen einen Jaguar. Nach der rhetorischen Frage schnitt er mit der Machete plötzlich einen dickeren Pflanzenstiel ab, rasierte die Blätter ab und hatte den über einen Meter langen Stab in der Hand. Ich dachte, dass er jetzt einen Speer schnitzt, stattdessen haute er aber ein Ende des Stiels gegen seine Machete und schleuderte es damit schnell mehrere Meter weit. Das wiederholte er mehrmals bis nach fünf Geschossen der Stiel aufgebraucht war. Diese spontane Angriffsaktion war so überraschend wie beeindruckend. Es gibt aber auch noch andere Waffen, die man im Urwald formen kann. Franzi fragte später nach Methoden zum Fischen. Schnell waren zwei Stiele abgehackt, eine Liane an den ersten Stiel geknotet und abgeschnitten und der andere Stiel an einer Seite gespitzt. Innerhalb von einer Minute hatte Severo einen Bogen mit Pfeil gebaut. Wir durften alle einmal unsere Technik zeigen und nur Franzi überzeugte bereits beim ersten Versuch. Den Fächer aus einem papierfesten Blatt nutzten wir nicht nur ständig beim Wandern, sondern auch am Tag danach noch. Und die Lianenkonstruktion eines Rucksackes für die Wasserflasche war für Dschungelexkursionen auch ausgesprochen praktisch. Nicht so erfolgreich in ihren Zielen war eine Gruppe junger Touristen vor ein paar Monaten, die mit Eskorpion Travel im Dschungel war. Von dem Unternehmen hatten wir schon gehört, dass die Guides die Kunden beklauen und Frauen teilweise sexuell belästigen. Diese Gruppe hatte auch keinen Guide und so wurden aus einer Fünftagestour nach Osten eine echte Überlebenstour von neun Tagen, die nach neun (!) Tagen im Westen am Fluss endete und nach der die Klienten schwer geschädigt und weinend ihr Geld in Rurrenabaque in Büro zurückforderten. Wir sahen noch die selbstgebaute Unterkunft dieser Gruppe, in der sie eine Nacht verbrachten bzw. das was davon übrig war. Auch über das Kochen im Regenwald lehrte Severo uns. Es ist nicht einfach Feuer zu machen, da es kaum trockenes Holz gibt. Deshalb ist es schlau etwas Baumwolle dabei zu haben. Imponierend war als Severo mit seiner Machete auf einen Stein schlug und so Funken entstanden, die man nutzen kann, um ein Feuer zu entzünden. Severo hatte uns schon gezeigt, dass in manchem Bambus und in manchen Lianen große Wasservorräte sind, die wir schon austesten durften. Schon beeindruckend, dass man leckeres, frisches Wasser in den Pflanzen findet und und im Bambus kann man es sogar transportieren, da es segmentweise eingespeichert ist. Ebenfalls kann man den Bambus aufschneiden und auf dem Feuer mit dem Wasser darin kochen. Beispielsweise können die Pilze gekocht werden. Danach kann man dank harten Blättern einen Teller und einen Löffel haben, mit denen man essen kann. Unter den Lianen der Bäume ist es teilweise trocken, falls man kein Zelt dabei hat. Und falls man unsicher ist welche Frucht man essen kann, ist es schlau zu schauen woran schon ein Affe geknabbert hat, denn für diese Tiere sind ähnliche Früchte giftig wie für den Menschen. 

 

Im dichten Grün des Regenwaldes, das nur wenig Sonne durchließ und auch ohne Regen immer wieder so wirkte, als würde es über den Baumkronen regnen, da Tropfen langsam von Blatt zu Blatt ihren Weg nach unten fanden, konnten wir ständig neue Details von Flora und Fauna entdecken. Bei den Pflanzen am beeindruckendsten waren die unterschiedlichen Pilze, von denen Severo weiß welche genießbar sind und welche nicht. Es gab einen großen Gelben, flache, runde gelbe an einem Baumstamm und ganz kleine, weiße Pilze. Da sie meistens an nur einem Ort im Grün waren und sehr farbenfroh, fielen sie schnell auf. Außerdem die Lianen, die an den Bäumen hängen und locker zehn Meter lang und dick werden und wohl innerhalb von Monaten wachsen. In einer konnten wir schaukeln und an einer anderen Tarzan imitieren. Auch der viel genutzte Kautschukbaum wächst hier im Dschungel sowie die Acai Palme, die wir schon als Frucht in einigen Eiscafés entdeckt hatten und die wohl in Brasilien sehr beliebt ist. Sie ist leicht an den riesigen, roten Wurzeln zu erkennen. Als plötzlich Franzis Ohr wehtat und rot anschwoll, kratzte Severo etwas Harz aus einem Baum und klebte die zähflüssige Masse mit einem Blatt an Franzis Ohr. Es wurde danach tatsächlich langsam besser. Vielleicht hatte sie etwas dort gebissen. Vereinzelte, schöne Blumen wachsen hier auch wie zum Beispiel die "Boca de la Novia", also der Mund der Freundin. Sie erinnerte den Namensgeber wohl an die roten Lippen einer Frau. Der Boden des Regenwaldes ist schlammig aber darüber bedeckt von unzähligem, matschigem Laub von den Bäumen, die auch hier ihr Kleid wechseln. Spannend war auch ein Baum mit riesigen Dornen am Stamm. Severo nutze grüne Blätter um rote Farbe zu gewinnen, die die Indigenen für Gesichtsbemalungen und Moskitoschutz nutzten. Ein anderes Blatt wurde zu Franzis Ohrschmuck, in dem er es an ihr Ohrläppchen klebte. Noch mehr waren wir die ganze Zeit aber darauf fokussiert Tiere zu entdecken. Immer wieder imitierte Severo Tiergeräusche, um mit den Tieren zu kommunizieren. Eine Affenart, die immer sechs Töne von sich gibt, um die Artgenossen zu erreichen, konnte Severo mehrmals dazu bringen ihm zu antworten. Leider sahen wir außer raschelndem Gebüsch keinen Affen im Dschungel. Dafür haben wir umso mehr Spinnenarten gesehen. Riesige Netze voller winziger Spinnen, die nebeneinander lebten und sich u.a. Falter fingen. Aber auch größere und sehr große Spinnen, die an Bäumen oder in ihrem Netz hingen. Nachts konnte man das Leuchten des größten Auges der Spinnen sehen, wenn man sie anstrahlte. Es leuchtete wie eine kleine LED war aber nicht so beeindruckend wie die Kaimanaugen. Wir suchten auch nach einer Tarantula, die unter einem Baumstamm leben sollte. Leider war sie abends nicht da. Morgens trafen wir sie dann an, aber sie war gefressen worden. Der Hauptteil war aufgefuttert und nur das Gerüst inklusive der acht Beine stand noch vor dem Häusschen. Severo dachte früher, dass die Tarantula gefährlich sei, bis er ein paar Biologen durch den Wald führte und die die Spinne auf ihrer Schulter rumtransportierten, da sie eben nicht gefährlich ist. Das soll allerdings nicht heißen, dass alle Tarantulas ungefährlich sind und man sie streicheln sollte 😉. Insgesamt wirkte es immer so als würde uns Severo seinen großen Garten zeigen in dem es durchaus wild zugehen kann, wenn er so vor uns herumstreifte und uns alles zeigte. Wie schon angedeutet gab es auch viele Falter. Vor allem nachts aber auch vereinzelt bunte am Tag. Nachts hat es sich gelohnt die Stirnlampe in der Hand zu tragen, da man sonst das Getier im Gesicht hatte, was vom Licht angelockt wird. Ein Nachtfalter mit einem großen Auge auf dem Flügel, das ein Eulenauge imitieren soll, war besonders spannend. Frösche gab es auch einige wenngleich nur die braunen, nicht giftigen. Auch zwei schwarze Tausendfüßler trafen wir an. Einer schlängelte sich über den Pfad, während ein anderer morgens zusammengekauert wie eine Schlange ruhte. Laute Geräusche machten auch im Regenwald die Grillen sobald es dunkel wurde. Es war schon vor Sonnenuntergang recht dunkel, da das wenige Licht kaum durchs Dickicht durchkam. Wir hatten das Glück eine Grille auf einem Blatt zu entdecken und sie war größer, als ich dachte. Größer als ich es für möglich hielt, war auch eine Schnecke auf unserem Weg. Genaugenommen war es die größte Schnecke, die ich je gesehen habe. Weinbergschnecken sind winzig ihr gegenüber. Ähnlich glitschig wie Schnecken, war die gelb-schwarze Glibbermasse auf dem Boden, die sich auch langsam bewegte und die uns Severo als Blutegel vorstellte. Äußerst unangenehm war auch die riesige Anzahl an Larven, die auf einem großen Haufen neben den eigenen Haufen lebte, die man auf dem Plumpsklo hinterließ. Man sitzt angenehmer, wenn man sich vorstellt, dass sie auch dort unten bleiben während des Geschäfts. Sehr verbreitet waren auch hier die Termitenbauten, die entweder noch am Baum hingen riesig sein können, oder die schon heruntergefallen am Boden sind und dann guter Stoff für ein Feuer sind. Ein großes, tierisches Highlight war ein Singvogel, der seinem Namen sehr gerecht wurde. Immer wieder hörte man seinen Gesang von unterschiedlichen Ecken von vermutlich unterschiedlichen Vögeln und es war schwer vorstellbar, dass der kleine, braune Winzling auf einem Ast, den wir entdeckten, wirklich dafür verantwortlich ist. Der Gesang war einerseits sehr laut aber irgendwie auch sympathisch. Für den dramatischen Schlusston schmeißt das Vögelchen seinen Kopf in den Nacken. Das animalische Highlight des Ausflugs trafen wir allerdings in unserem Campingbereich an. Felicity war schon in ihrem Schlafsack und nachts nicht mehr mitgekommen auf den Ausflug. Wir waren gerade mit Severo wiedergekommen und sortierten uns noch in der Küche, als er aufgeregt zu uns zurückkam. "Eine riesige Schlange ist im Camp", erzählte er uns. Aufgeregt kamen wir mit raus. Und tatsächlich: Eine riesige Schlange war ungefähr einen Meter von meinem Schlafplatz entfernt und fünft Meter von Felicity und war leicht in einer Zeltplane verschlungen. Daher konnte man nicht genau sehen, ob die Schlange noch deutlich länger als etwa 1,50 Meter war. Ich dachte direkt, dass es eine Würgeschlange ist, da sie nicht auffällig farbenfroh war. Tatsächlich hatte Severo auch nach Würgeschlangen wie Boas im Wald gesucht am abend aber keine gefunden. Vor ihnen muss man sich als Mensch seiner Meinung nach nicht fürchten. Jetzt allerdings sagte er uns, dass es sich hier um eine "Pucaraca" handelt. Einen Tag später im Besitz von Internet fanden wir heraus, dass es ein "Südamerikanischer Buschmeister" ist- die größte Viper der Welt mit tödlichem Gift und den größten Giftzähnen einer Schlange weltweit. Wie unberuhigend. Erst recht als Severo meinte, dass er Angst vor der Schlange habe. Er habe sie noch nie im Wald angetroffen und nun direkt hier im Camp. Im positiven wie im negativen machte die Schlange nicht viel mehr als uns anzugucken und mit ihrer Zunge nach uns zu fühlen. Severo fragte, ob er sie töten solle. Wir waren überfordert. Franzi meinte, dass er entscheiden solle. Ich meinte, dass ich es nicht schön fände Tiere im Nationalpark zu töten, aber deutete auch an, dass er entscheiden solle. Er entschied sich dagegen, auch auf Grund meiner Aussage wie er später meinte, und warf lediglich Holzscheite und Steine auf die Schlange, die diese dazu veranlasste in einem Busch beim Camp zu verschwinden aber mehr auch nicht. Severo meinte, dass er aufpassen würde nachts und wir schlafen gehen können. Nach schlafen war uns aber nicht zu Mute, auch wenn wir sehr müde waren. Auch Severo war schon seit 06:30 Uhr morgens mit Touristen unterwegs und meinte, dass er mit Zigaretten und Kokablättern die ganze Nacht wache schieben könne. Felicity hatten wir inzwischen auch geweckt und sie war schockiert, dass wir die Schlange nicht getötet hatten. In Australien töten sie alle Giftschlangen, die sie entdecken sofort, da sie eine zu große Gefahr darstellen. Wir hatten hier kein Boot, um nach Rurre zurückzufahren und auch kein wirkliches Gegengift, nur etwas provisorisches zum Schlucken. In anderen Worten: Wer gebissen wird, hat´s wohl erwischt. Severo setzte sich in sein Zelt und schob dort Wache, obwohl er den Busch von dort aus garnicht sehen konnte, der viel näher an unseren Schlafplätzen war. Ich blieb bestimmt noch eine Stunde dort stehen und schob auch Wache, bevor ich mich an die Außenseite meines Netzes legte in der Hoffnung, dass die Schlange nicht in einem Biss von der anderen Seite durchkommt und ich schnell fliehen kann. Angeblich greift sie nur an, wenn sie sich belästigt fühlt. Also normalerweise wenn man im Radius von etwa einem Meter um ihren Kopf herum auf den Boden tritt. Aber wir hatten sie ja auch belästigt, weswegen sie in den Busch verschwunden ist. Daher war ich mir nicht sicher, ob sie sich das merken könne und vielleicht später nach Rache sinnt. Franzi legte sich in voller Montur mit Schuhen hin. Immer bereit loszulaufen. Irgendwann schliefen wir alle und wachten auch alle wieder auf. Severo hatte noch bis zwei Uhr Wache geschoben und war dann auch schlafen gegangen. Die Schlange ward nie wieder gesehen. 

 

 

Auf dem Rückweg mit dem Boot nach Rurre hielten wir noch in einer indigenen Siedlung und besuchten eine Familie, die mit einer der sehr verbreiteten und traditionellen Holzmaschinen, die per Hand betrieben werden, Zuckerrohrsaft herstellt. Für kleines Geld durften wir auch mal drücken und schauen wie das Zuckerrohr zermalmt wird und der Saft, der auch die Basis für Rum ist, herausrinnt. Danach probierten wir ihn in einem Gefäß, das eine halbe Kokosnuss war. Er war natürlich süß und schmeckte gut mit der Zugabe von etwas Zitrone. Das Mädchen des Mannes, dem wir das Geld gaben, hatte einen kleinen Brüllaffen bei sich, den sie aus dem Dschungel geholt haben, da sein Auge verletzt ist. Jetzt wollen sie ihn wieder aufpäppeln, damit er zurück kann. Bis dahin turnt er noch auf dem Kopf der Kleinen herum. Der Mann fährt bei Markt mit dem Boot nach Rurrenabaque und verkauft Papaya, Bananen und Zuckerrohr. Wir haben einige, kleine Boote gesehen mit riesigen Haufen an grünen Bananen auf dem Weg nach Rurre. Angeblich hat jeder in der Siedlung ein Boot. Felicity fand noch die Schule spannend, da sie selber Lehrerin ist. Im offenen Schulgebäude gab es alles von mathematischen Berechnungen, über das Modell eines menschlichen Körpers bis hin zu Landkarten. Die Leute sagen aber, dass es zu wenig Lehrer gibt und vor allem nur welche, die vom Anfang bis zum Ende der Schullaufbahn unterrichten und daher nicht den nötigen Tiefgang bei den Themen haben, so dass die Kinder später sich im Land weiterbilden können, da sie nicht die Basis dafür haben. 

 

Nach insgesamt fünf aufregenden Tagen entspannten wir nochmal einen Tag in unserem Lieblingshotel und genossen das leckere Frühstück sowie die Hängematten. Wir haben wirklich einiges erlebt und einige Tiere und Pflanzen gesehen. Auch wenn diese Touren beim Kauf der touristisch wirken, verteilen sich die Touristen am Ziel doch sehr und man ist der Natur zusammen mit einem Guide und ein paar anderen sehr nahe. Da Bolivien eins der günstigsten Länder Südamerikas ist, sind wir froh hier schonmal ein paar Erfahrungen im Amazonasbecken gesammelt zu haben, damit wir dann in teueren Ländern später vielleicht nicht mehr das Bedürfnis haben so lange eintauchen zu wollen. Dennoch habe ich schon eine Vorfreude in Peru, Ecuador, Brasilien, Kolumbien und vielleicht den Guyanas nochmal mehr Dschungel zu erleben. 

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