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Abenteuerspielplatz

Uyuni

geschrieben von Timo

Das erste Abenteuer wurde angepriesen als bester Tag unseres Lebens. Und es war insgesamt ein fantastischer Tag, auch weil der Touranbieter Barracuda uns mit guten Guides und Materialien ausstattete. Nachdem wir morgens abgeholt wurden vom Hotel waren wir erstmal irritiert. Gestern wurde uns gesagt, dass wir zu viert sein werden und heute waren wir auf einmal schon acht. Später fanden wir heraus, dass die anderen schon vor uns gebucht hatten. Komisch. Schlecht gelaunt waren wir auch schon wieder vom Frühstück. Nachdem wir hastig gepackt hatten, wollten wir noch schnell im Hostel einen Kaffee trinken. Während für eine Achtergruppe, die nach uns in den Frühstückssaal kam und noch nicht komplett anwesend war, serviert wurde, mussten wir fünfzehn Minuten vergeblich auf Essen und Trinken warten bevor uns unser Guide Cristian abholte während gerade endlich unser Kaffee kam. Leider zu spät. Im Bus wurden wir die Hänge von La Paz hochgekarrt, wo wir dann in einem Café doch noch unser Frühstück bekamen während wir unsere sechs Mitstreiter für den Tag kennenlernten. David und Aric kommen aus Indianapolis und sprechen kein Spanisch. Sie helfen regelmäßig in Montero bei Santa Cruz in einem Gesundheitsprojekt als Freiwillige und waren deshalb schon häufig in Bolivien. Diesmal bauten sie ein Haus mit den lokalen Helfern und Einheimischen und lernten on the Job wie das geht. Die beiden anderen Pärchen waren in unserem Alter. Während die eine Frau kein Englisch sprach und wir daher mit ihr und ihrem Freund Französisch sprachen, war der Mann des anderen Pärchens mit einem Briten zu verwechseln, wenn er Englisch mit uns sprach. Statt des üblichen Französischen Akzents sprach er perfektes British English. Nach der kurzen Kennenlernphase und nun deutlich besserer Laune wegen des Frühstücks und den netten Leuten um uns herum, ging es auf den "Cumbre", also den Hügel. Dieser 4600m hohe Ort nördlich von La Paz ist Ausgangspunkt für die 64 km lange Fahrt bergab nach Yolosa auf 1200m Höhe mit dem Fahrrad. Jetzt erst entdeckte ich, dass unsere Fahrräder auf dem Dach des Buses mittransportiert worden waren, während ich meinen Helm, meine Schmutzjacke und -hose sowie meine Handschuhe anzog. Nach einer kurzen Testrunde auf dem Schotter des Parkplatzes konnte es losgehen mit der Mountainbiketour. Unsere letzte Tour auf diesem Gefährt bei Bariloche war sehr ungemütlich, daher war ich auch heute skeptisch. Aber in dem Moment hatte ich große Lust auch weil das Material geeignet zu sein schien. Über der Lagune neben dem Parkplatz zog eine Wolke nach der anderen aus dem Tal hoch, in das wir nun hinein fahren würden. Es regnete nicht, aber weiter unten in den sogenannten Yungas, die zwischen Cordillera Real und Amazonasbecken am Hang liegen, konnte es natürlich trotzdem Niederschlag geben. Schon vom Pico Austria aus der Cordillera hatten wir gesehen wie sich die Wolken alle an den hohen Gipfeln stauen und eben zu dieser Jahreszeit nicht das Altiplano und das Tal um La Paz herum erreichen, weswegen man täglich in La Paz wolkenfreien Sonnenschein hat und nachts bitterkalte Temperaturen. Wir fuhren in Kolonne mit gebrandeten Jacken auf dem Seitenstreifen der rechten Spur los bergab in die Yungas. Ein Guide fuhr vorne und der andere hinter den acht Teilnehmern. Auf dieser asphaltierten Hauptstraße, die den Amazonas mit La Paz verbindet, gibt es durchaus viel Verkehr. Deshalb hieß es vorsichtig zu fahren. Die Gefahr wurde uns gleich mal demonstriert als ein bergauf fahrender Jeep im Gegenverkehr ohne Rücksicht auf Fahrradverluste auf unserer Spur überholte. Wäre jemand in dieser Kurve in der Mitte unserer Spur gefahren, wäre es unangenehm geworden. Den Fokus zu behalten war schwierig. Es war eiskalt an Füßen und Händen trotz Handschuhen und Merinowollsocken und die Sonnenbrille beschlug immer wieder durch die Wolken durch die wir fuhren. Nach einigen Kilometern bergab vorbei an kargen Felswänden pausierten wir erstmals. Alle haben den ersten Abschnitt gut überstanden, aber es war keine Fahrt für Fahranfänger. Der nächste Abschnitt führte uns bis zu einem Checkpoint, der den Drogenverkehr zwischen dem Flachland und La Paz verringern soll. Wir standen nun vor gewaltigen, leicht bewachsenen Bergen bei denen immernoch die Farben grau, braun und gelb dominierten. Franzi hatte inzwischen ihre dickeren Handschuhe und die Wanderstiefel angezogen, da ihr zu kalt war. Es ging noch einen letzten Abschnitt über Asphalt, bei dem wir in Kolonne einen Reisebus überholten, der wesentlich langsamer bergab war als wir auf den Mountainbikes. Auf der kurvigen Straße war es nicht einfach den richtigen Moment dafür abzupassen, aber irgendwann kam kein Gegenverkehr und wir konnten über die durchgezogene Linie am Bus vorbeiziehen, da wir sahen, dass auch im weiteren Verlauf der Straße kein Gegenverkehr kam. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die Autos hinter uns gemacht, die nun ebenfalls an uns und dem Bus vorbeizogen und unser Überholmanöver dadurch jäh beendeten. Nach den Autos waren wir dann aber wirklich dran und fuhren bis zu dem Tunneleingang der neuen Straße, der durch einen langen Berg führt. Wir umfuhren den Tunnel auf einer Schotterpiste, während es langsam anfing zu regnen. Während eben die größte Gefahr noch der Autoverkehr und die Hubbel im Asphalt bei hohen Geschwindigkeiten waren, so musste man jetzt vor allem auf große Steine Acht geben, damit man nicht umfiel. Nach einem kurzen Abschnitt, dem Zahlen eines Eintrittsgeldes und einem kurzen Transfer in unserem Bus, bei dem man sich schonmal etwas über die ersten Erfahrungen austauschen konnte, erreichten wir das eigentliche Ziel: Den Beginn der Death Road/ Todesstraße/ Calle de Muerto. Die Straße hat sich ihren Namen leider durch tatsächlich viele Todesfälle verdient und ist nun zum Glück weitesgehend für den Autoverkehr geschlossen und wird vor allem touristisch für die Mountainbikefahrten genutzt. Einerseits finde ich es etwas pietätslos einen solch schrecklichen Ort für viele Menschen touristisch auszuschlachten, andererseits musste ich später feststellen, dass die Straße absolut fantastisch zum Mountainbikefahren war und mir einen der besten Weltreisetage bis hier her beschert hatte.  

 

Die Voraussetzungen am Start der Todesstraße waren durchaus schlecht. Es hatte stark angefangen zu regnen und wir hingen immernoch in den Wolken. Es war inzwischen urwaldig grün um uns herum aber immernoch kalt. Wir bekamen Regencapes geliehen, allerdings keine Regenhosen und die Nässe war schnell von der Schmutzhose durchgedrungen auf meine kurze Hose und lange Unterhose, die ich unter der Schmutzhose trug. Während Franzi auf dem ersten Abschnitt der schlechten Schotterpiste vorne wegsauste, ordnete ich mich als einer der letzten ein und konzentrierte mich nicht zu stürzen. Ein Tourist pro Tag stürzt wohl und derjenige wollte ich nicht sein. Meine Sonnenbrille, die ich trotz Regens immernoch trug, falls die Strahlen mich von einem Moment auf den anderen blenden würden, war klitschnass und gab mir nur eine mittelmäßige, leicht verschwommene Sicht auf die schlechte Piste. Ich sah allerdings schon, dass es links vom Weg sehr, sehr steil in den grünen, tiefen Abgrund ging, in den schon das ein oder andere Fahrzeug mal gestürzt war. Rechts ragten die grünen, nassen Hänge empor. Wenn ein Auto der wenigen Einwohner kommen sollte, die aber eher am unteren, nördlicheren Ende der Strecke lebten, sollte man links vorbei fahren, da auf dieser Straße Linksverkehr herrscht. Das liegt primär daran, dass man links eine bessere Sicht auf den Straßenverlauf hat und die Autos, die hochfahren Vorfahrt haben. Bergab ist links auch der Abgrund und die Straßenbreite lässt nicht viel mehr zu, als zwei Autos die sich versuchen aneinander vorbeizuzwängen. Zum Glück begegneten wir auf der gesamten Strecke garkeinem Auto auch wenn bis zu sieben Autos während einer Tour normal seien, sagte unser guter Guide Cristian. Beim ersten Halt wurden dann im strömenden Regen die obligatorischen Abgrundfotos geschossen, wenngleich man außer Grün und Wolken nur wenig erkennen konnte. Wenn man aber am Abgrund saß, konnte man schon sehen dass es sehr steil mehrere hundert Meter bergab ging. Nach dem Fotostopp ging es weiter bergab auf den Fahrrädern. Die ganze Zeit über sowohl im ersten Abschnitt aus Asphalt als auch im zweiten Abschnitt auf Schotter musste man sich so sehr konzentrieren, dass man nicht mal eben hinter sich gucken konnte, ob dort noch jemand ist. Man fuhr wirklich kilometerlang für sich alleine, bis man die Guppe erreichte, die irgendwo Pause machte. Höchstens Teilnehmer anderer Unternehmen überholten einen manchmal. Langsam verzogen sich auch die Wolken und man hatte das Bedürfnis immer mehr Klamotten auszuziehen. Schließlich kamen wir an einem Imbissplatz an mit Café, an dem es Snacks für uns gab. Hier war das Wetter schon recht tropisch und der Regen endgültig vorbei. Man hatte den Blick über riesige, tiefgrüne Hänge an beiden Seiten des Tals. Über ein Nebental war eine Metallleine gespannt, an der man befestigt an mehreren Karabinern mit Klettergurt von einer Seite zur anderen schweben konnte. Franzi und ich bezahlten die jeweils 10€ mehr pro Person und nutzten die Zipline in Sitzposition. Jemand anderes wählte sie "Superman Position". Die kam für mich aber nicht in Frage, da ich meine Brille tragen und diese auch nicht verlieren wollte. So war es sehr entspannt als man ca. 1 Minute lang über das riesige Grün voller Bäume überall glitt. Auf der Ladefläche des Pick-Ups ging es dann fünf Minuten mit dem Auto zurück zu den Fahrrädern. Wir sind also auch auf der Todesstraße Auto gefahren!  

 

Eigentlich wollte ich am Ende am liebsten auch die Dreckjacke und -hose ausziehen, aber ein Blick auf das Verschmutzungslevel der Klamotten sorgte dafür, dass ich lieber die geliehenen Klamotten außen tragen wollte und nicht meine. Selten war ich bei einer Aktivität so voller Dreck und nass gewesen wie an diesem Tag, aber es gehörte dazu und störte nicht unbedingt. In der Nähe der Zipline eröffnete sich ein Blick bis ins touristische Coroico, das auf einem grünen Hang hockte und das wir mit mehr Zeit eigentlich auch noch besucht hätten. Die Tatsache, dass unser Visa auslief und die Wanderung, die in meinem Wanderbuch beschrieben ist, aber doch nicht in Coroico anfing, wie wir zunächst dachten, verhinderten das aber. Bei tropischem Wetter ging es die nun bewohnte Straße weiter bergab und sogar noch durch ein paar Bäche durch bevor wir im Dorf Yolosa angekommen waren. Hier mussten wir unsere Fahrräder, Helme und Co. abgeben und nun begann der entspannte Teil des Tages. In einem nahegelegenen Restaurant gab es ein Buffetessen sowie Duschen und einen Swimming Pool. Alle Einrichtungen nutzten wir gerne. Insbesondere freute ich mich erstmals nach Wochen wieder im Wasser sein zu können, nachdem meine große OP Wunde nach über einem Monat in La Paz endlich geschlossen war. Vermutlich war der Heilungsprozess in der schwülen Hitze Amazoniens einfach schwieriger als in der Trockenheit von La Paz. Wir unterhielten uns noch lange mit dem englischsprachigen Französischen Pärchen und erfuhren, dass er CEO eines Start-Ups ist, für das er auch von unterwegs aus immer mal etwas arbeitet. Sein eigenes Unternehmen hatte er schon verkauft und ist nun beratend für andere Start- Ups tätig wobei er anscheinend manchmal auch über die Beraterrolle hinaus tätig wird. Sehr lehrreich war auch, als er von seinem Krankenhausaufenthalt in Cuzco berichtete, bei dem seine Salmonellen behandelt wurden, die er von einer selbstgemachten Carbonara bekommen hatte. Wir sind also gewarnt. Die Rückfahrt auf der neuen Straße nach La Paz, die wir ja auch nachts schon von Rurrenabaque kommend, befahren hatten, dauerte drei Stunden und war durchaus abenteuerlich. Nachdem die Dunkelheit eingesetzt hatte, begann kurz vor dem Cumbre, an dem wir morgens mit den Fahrrädern gestartet waren, ein Schneesturm und färbte die Hänge neben dem Auto weiß. Manche im Bus hatten noch die kurze Hose und Flip- Flops an und dösten nach dem langen Tag, während wir schon Schuhe, Pullis und Schlauchschal auf Hals und Ohren ausgepackt hatten. Nachdem wir über 3000 Meter hochgefahren waren und den höchsten Punkt hinter uns gelassen hatten, erreichten wir das Lichtermeer und den zähen Verkehr in La Paz, durch den wir uns durcharbeiteten bis wir nahe am Hostel herausgelassen wurden. Der Fahrer Alex sowie die Guides Luís und Cristian freuten sich sehr über ihr kleines Trinkgeld, das sie sich redlich verdient hatten. Es war wirklich ein sensationeller Tag. Bergab Mountainbike fahren bringt richtig Spaß und dann auch noch zeitgleich die Yungas zu erkunden mit ihrer faszinierenden Natur zwischen Andengipfeln und dem Amazonasregenwald und die ganzen unterschiedlichen Wetterlagen sowie die Vegetations- und Klimawechsel hautnah zu spüren, ist schon toll. Natürlich ist es kein ungefährliches Ereignis und man sollte nicht vergessen, dass jedes Kreuz am Abgrund mindestens einem Toten gedenkt. Aber ich hatte nie das Gefühl nicht die Kontrolle über das Fahrrad zu haben und mich dadurch selber in Gefahr zu begeben trotz der widrigen Straßen-, Verkehrs- und Wetterumstände. Daher war es zwar ein anstrengendes aber auch faszinierendes Erlebnis, das ohne die gute Organisation von Barracuda aber auch einfach zu einem unvergesslich unangenehmen Ereignis hätte werden können mit schlechten Guides und Materialien. 

 

Nach einem Tag Pause in La Paz ging es schon ins nächste spannende Abenteuer in Bolivien, das auch zugleich unser letztes in diesem Land sein würde. Auf der touristischen Strecke La Paz- Uyuni fuhr uns ein Nachtbus, wie wir ihn in Bolivien noch nicht gesehen hatten. Der moderne Bus hatte eine Toilette, gemütliche, zurückstellbare Sitze, einen Fernseher, der nachts nicht laut lief und sogar Anschnaller. Gut meiner funktionierte nicht, aber es war trotzdem als wäre man im falschen Land im Bus gelandet. Es wurden sogar Decken für nachts und Essen verteilt. Die hätte man nach Ankunft am liebsten mit rausgenommen, da Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschten, aber dafür wurde man wärmstens von Touranbieterinnen vor dem Bus in Empfang genommen. Wir ließen uns von einer Frau bequatschen, da wir in Uyuni waren, um eine solche Tour durch die Salzwüste zu machen und danach weiter nach Chile durch die vulkanreiche Landschaft gebracht zu werden. Die Frau bot uns in ihrem mit Gas beheizten Büro die Tour für einen sehr günstigen Preis an, aber wir entschieden uns später für einen teureren und etwas bekannteren Konkurrenten. Was super war, war dass wir direkt starten konnten. Statt eine Nacht in Uyuni zu verbringen, ging es direkt um 10:30 Uhr in den Geländewagen. Vorher blieb noch Zeit zum Frühstücken und Snacks sowie Wasser für die Dreitagestour zu besorgen. Dann ging es auch schon los mit unserem Fahrer und Guide Luís sowie den beiden, Französischen Freundinnen Débora und Laura. Erster Halt war der Eisenbahnfriedhof bei Uyuni. Hier verrosten alte Dampflokomotiven, Tenderwagen sowie Wagons, die vor hundert Jahren zum Transport von Rohstoffen aus der Nähe von Uyuni zum Chilenischen Hafen Antofagasta genutzt wurden, der vor dem Salpeterkrieg von 1879 Bolivianisch war. Es bringt Spaß hier ein wenig herumzuklettern oder sich die nachgebauten Transformerstatuen aus Metall anzusehen. Nach dem kurzen Besuch, während dem Luís unsere Schlafsäcke holte, die er zuvor vergessen hatte und die wir in den beiden Nächten letztlich gar nicht benötigten, da die Betten warm genug waren, ging es zur letzten Stadt vor der großen Salzwüste Salar de Uyuni, die für viele vielleicht das einzige ist, was sie von Bolivien kennen und die in Zukunft noch eine große Rolle für die Bolivianische Wirtschaft und die Versorgung von Batterien in Smartphones und E-Autos spielen wird, da sich hier Unmengen von Lithium befinden. Den touristischen Stopp im Ort Colchani, der zu diesem Zeitpunkt nur aus Verkaufsläden und unzähligen Geländewagen voller Touristen bestand, hätte man sich auch sparen können. Hier sahen wir erste Gebäude, die aus dem Salz des Salar gebaut wurden, sowie Figuren von Lamas aus Salz und eine Mutter, die das Salz der Wüste verfeinerte und supermarktreif verpackte. Dann veränderte sich der Schotterweg mit Salzspuren zu einer riesigen, weißen Fläche- dem Salar. Wir paceten mit dem Geländewagen auf den plattgefahrenen Routen anderer Autos über das riesige Weiß, das nur von großen Bergen der Anden am Horizont begrenzt war. Der Boden war hart und in Fünf- oder Sechsecken geformt, dort wo es noch nicht von den Autos plattgefahren war. Eine Geschmacksprobe einer kleinen Menge bestätigte, dass es sich um Salz handelt. Unser erster Stopp in dieser planen Landschaft führte uns zu einem anderen Geländewagen, der Fahrräder für uns geladen hatte. Ich fragte mich wie Luís sich hier orientiert ohne Smartphone und wirklichen Wegen. Mit den Fahrrädern fuhren wir ein wenig über das Salz bis zum berühmten Salzhotel, das heute eine Imbissbude ist. Hier trafen wir auch erstmals die Wucherpreise für Toiletten an- 5 Bolivianos also knapp 1€- im Rest des Landes kostet die Toilette 1 Boliviano. Immerhin müssen sie hier alles wieder aus der Wüste rauskarren- trotzdem fühlte es sich nach Abzocke an. Dennoch nutzten wir die Toiletten. Wir wollten nicht weitere, gelbe Flecken in dieser besonderen Landschaft hinterlassen. Luís hatte in der Zwischenzeit ein leckeres Mittagessen auf einem Salztisch für uns vorbereitet. Dem leckeren Quinoa mangelte es ironischerweise etwas an Salz, aber wir wussten uns zu helfen. Nachdem wir satt waren und das Rallye Dakar Salzdenkmal fotografiert hatten, fuhren wir mit Luís auf einen unberührten Fleck des Salar de Uyuni, um ein Fotoshooting zu veranstalten. Es stellte sich heraus, dass Luís zwar nur unsere Handykameras nutzte aber ein echtes Fotografiegenie ist. Zunächst stellten wir uns zu viert in eine Reihe und nahmen unterschiedliche Armhaltungen ein, während Luís auf seinem Auto stand und uns gegen die Sonne fotografierte. Er nannte das Bild: "Den Skorpion", was nach Betrachtung der Bilder im Anschluss an das Shooting Sinn ergab. Danach folgten noch ein paar Posen, die gegen die Sonne auch unseren Schatten mit im Bild berücksichtigten. Nach den Bildern gegen die Sonne folgte dann die Detailarbeit bei den Bildern mit der Sonne. Zunächst kam ein kleiner Plastikdinosaurier zum Einsatz, von dem wir schon vor dem Besuch in der Salzwüste gehört hatten. Luís perfektionierte allerdings die Aufnahmen, auf denen es so scheint, als würde der riesige Dinosaurier uns kleine Menschen attackieren. Möglich wird die Aufnahme durch die unendliche, flache Weite des weißen Salar, der das Verständnis auf einem Foto für Größen und Abstände erschwert und dadurch Spielereien mit Maßstäben ermöglicht. Auch die letzte Aufnahme, bei der Franzi mich wie eine Spielfigur in der Hand hält, wird durch die Zustände hier möglich gemacht. Während Laura und Débora noch etwas mit Luís an der Kamera spielten, machten wir noch ein paar Profilfotos, da auch diese vor dem weißen Hintergrund schön aussehen. Danach ging es mit dem Auto schnell zur Isla Incahuasi, denn der Salar ist einerseits eine Salzwüste aber andererseits auch ein Salzsee und es gibt einige Inseln in diesem zu dieser Jahreszeit See ohne Wasser. In der Regenzeit also im Januar oder Februar kann es sein, dass der Salar geflutet ist. Auch dann kann man hier mit dem Geländewagen fahren und es ergeben sich fantastische Spiegelungen des Himmels auf dem salzigen, nassen Grund. Doch die Insel besteht natürlich auch zur Trockenzeit und bietet einen Mirador (Aussichtspunkt) über die Insel und den Salar bis zu den fernen Bergen. Das faszinierende an der Insel sind aber auch die riesigen Kakteen, die hier aus dem erdigen, hügeligen Boden ragen. Nach einem anstrengenden Anstieg konnte man von oben die faszinierenden Fotos mit Kakteen, Salzwüste und Bergen im Hintergrund schießen. Kurz danach ging die Sonne hinter dem Salar unter und Luís hatte für uns auf einem weiteren Salztisch vor der von ein paar Leuten bewohnten aber um diese Uhrzeit von allen Touristen verlassenen Insel eine Flasche Wein vorbereitet mit ein paar Snacks und auch ich ließ mich zum ersten Mal nach Mendoza zu einem Wein hinreißen, der aus der einzigen Weinregion Boliviens in der Nähe der Stadt Tarija stammte, die wir auf unserer Reise nicht besucht haben, was Franzi etwas enttäuschte. Ein erlebnisreicher Tag ging hier langsam aber gemütlich zu Ende, natürlich nicht ohne dass Luís noch ein Foto von uns schoss, wie wir in unseren Weingläsern zu stehen schienen. Im Dunkeln bretterten wir dann Richtung Süden zu einem kleinen Ort außerhalb des Salar de Uyunis, wo wir in einem Hotel, das aus Salz gebaut worden war, schliefen. Es war mächtig kalt in der Dunkelheit auf etwa 3800 Metern und die nicht sehr warme Dusche sorgte für kurze Momente, in denen ich zu einer Art Eis- oder Salzsäule zu erstarren schien. Letztlich schaffte ich es aber noch unter die warme Bettdecke und Franzi duschte sogar noch heiß, weil sie nachfragte, ob das heiße Wasser für die Dusche wieder angestellt werden könne.  

 

Nach dem Frühstück des zweiten Tages war ich erstmal schlecht gelaunt, da Luís die ganze Zeit auf der Schotterpiste mit hoher Geschwindigkeit fuhr und auf sein Handy starrte, weil er mit seiner Frau telefonierte, ein Video von sich machte oder Whats App Nachrichten las. In der Agentur wurde uns versprochen, dass die Fahrer das Smartphone während der Fahrt nicht nutzen würden. Tatsächlich machte Luís es auch nicht wieder nachdem ich ihn diskret und freundlich darauf angesprochen hatte, aber die Anspannung aus der Zeit während der er es tat, wirkte bei mir noch einige Stunden nach während der wir durch die Wüstenlandschaft mit Vulkanen und weiteren Salzfeldern fuhren. Ab und an hielten wir für einen Mirador oder ein paar Steine oder um fünf Bolivianos für ein Klo zu bezahlen oder um Baño Inca/ Baño Natural (In der Landschaft pinkeln) nachzugehen. Wir waren schon an einer Grenze zu Chile fuhren aber querfeldein (ohne Feld nur mit Sand) auf der Bolivianischen Seite nach Süden. Mittagessen gab es diesmal an einer Lagune in einem neuen Militärstützpunkt- man versteht sich mit den Nachbarn aus Chile schon seit 1879 nicht mehr so gut-, in der Flamingos leben. Wir konnten die rosafarbenen Vögel beim Mittagessen beobachten. Die nächsten Tiere gefielen insbesondere Franzi dann besonders gut. In einem großen Felsenhaufen in der sandigen Wüste leben einige Vizcachas, die Franzi begeistert beobachtete und fotografierte. Vizcachas sind Nagetiere, die offensichtlich mit den Kaninchen verwandt sind. Sie sind etwas größer, flauschiger, gelblicher und haben einen längeren Schwanz. Franzi wies einige andere Touristen zurecht, die die Tiere fütterten, woraufhin sie erstaunlicherweise hörten. Vielleicht waren sie also nur ungebildet und nicht unverschämt. Das Futter kann nicht nur der Verdauung der Tiere schaden. Sie können auch abhängig davon werden. Vor der Pandemie gab es wohl immer Vizcachas an diesem Felsen. Danach erstmal einige Zeit nicht mehr. Es bleibt fraglich was mit den Tieren von vor der Pandemie geschehen ist.  

Nach den Nagern ging es zum Steinbaum. Entgegen unseres ersten Gedankens handelte es sich nicht um einen versteinerten Baum sondern um einen Stein, der aussieht wie ein Baum, da er unten schmal und oben breit ist. Seit dem Süden Argentiniens ist es bei uns ein Running Gag versteinerte Wälder zu besuchen, da wir es von Rada Tilly aus nicht geschafft hatten einen weit entfernten, versteinerten Wald zu besuchen, der im Marco Polo Reiseführer angepriesen wurde. Bei der Laguna Colorada (Gefärbte Lagune) sahen wir dann erneut viele Flamingos, große, weiße Ablagerungen von Salzen und Natrium sowie Vicuñas und Lamas, die entlang der Straße im Nationalpark Eduardo Avaroa herumlaufen. Vicuñas sind wilde Tiere, die verwandt sind mit den Lamas aber kleiner, weniger flauschig und nicht domestiziert. Die Lamas, die zu einer Familie gehören, hatten bunten Ohrschmuck wie das Lama auf dem Titelbild meines Lonely Planets. Sehr schön war die Lamaherde in der weiten Landschaft im Schatten der entfernten Berge bei untergehender Sonne und einem leuchtenden, vollen Mond. Als die Sonne ganz weg war, besuchten wir noch den Geysir Sol de Mañana (Sonne des Morgens) der kein echter Geysir ist sondern eher eine Fumarole, also ein wässriges Loch im Boden, das wegen vulkanischer Aktivität dauerhaft kocht oder dampft, und erlitten dort eine Art Kälteschock. Auf über 4000 Metern Höhe war es ohne Sonne bitterkalt und wir stellten uns etwas in den stinkenden Dampf, um nicht ganz zu erfrieren. Laut Luís besteht der Dampf wohl nicht aus giftigen Gasen. Der Ort erinnerte mich sehr an die Neuseeländische Nordinsel, denn neben dem bunten Gestein voller Metalle und Mineralien gab es neben den dampfenden Löchern auch einen Mudpool, der vor sich hin blubberte. Zum Pool ging es für die meisten Gruppen auch nach dem Abendessen, denn neben unserem Hotel gab es heiße Quellen. Wir legten mit Luís aber noch einen Stopp außerhalb des Dorfes ein, um einige Fotos mit den Sternen zu schießen. Luís zeigte hier tatsächlich nochmal sein ganzes Talent und belichtete uns mit seiner Handykamera auf dem Stativ für etwas mehr als 20 Sekunden, um uns zum Abschluss dieser Zeit noch einmal kurz mit einer Taschenlampe separat anzuleuchten. Es kamen super Fotos mit uns, den Bergen und den Sternen bei rum, die nicht so schön zu sehen waren wie sonst, da wir fast Vollmond hatten. Danach durften wir auch noch etwas in die wirklich heißen Quellen steigen die fast etwas zu heiß waren während die Luft außerhalb natürlich bitterkalt war. Am nächsten Morgen war Luís dann etwas unentspannt, da wir zu spät loskamen. Ein Belgisches Pärchen fuhr für den Rest der Reise noch bei uns mit. Die Eltern der Frau kamen aus Togo und so hatte Franzi einiges zu bereden mit ihr. Wir schauten noch die "Wüste Dalís" an, in der auf geschmeidigem Sand in weiter Ferne kuriose, vereinzelte Steinformationen standen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Gemälden des Künstlers war nicht zu verleugnen auch wenn ich es mir spektakulärer vorgestellt hatte. Die grüne Lagune, die wir danach besuchten, war auch nicht so grün. Und dann waren wir auch schon an der Grenze zu Chile, wo alles ganz schnell ging, auch weil der Fahrer des Transportdienstes aus Chile schon ungeduldig auf uns wartete. Wir mussten entgegen aller Informationen kein Geld an die Bolivianischen Grenzbeamten zahlen, wir futterten noch schnell unsere Früchte, ließen unser Gepäck checken und dann waren wir auch schon wieder zurück in Chile und ließen Bolivien nach 84 aufregenden Tagen hinter uns. In Chile waren die Straßen schöner, es gab Anschnaller und wir fuhren steil bergab vom knapp 6000 Meter hohen, kegelförmigen Vulkan Licancabur in die Atacama Wüstenoase San Pedro. Bolivien ist sicher nicht das einfachste Reiseland aber gerade am Ende hat es nochmal richtig Spaß gebracht. Die lebendige Mischung aus Amazonas Regenwald, Yungas, Titicacasee, La Paz, Salzwüste, Vulkanen und Wüste im Osten und Südosten des Landes bietet viel Potential mit überschaubaren Abständen und ist wie ein sehr großer Abenteuerspielplatz. 

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